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Freitag, 18. November 2005

Einmal übern großen Teich




Einmal übern großen Teich

Schon kurz nachdem ich von dem Segelvirus befallen war, galt auch mein literarisches Interesse jenen Autoren, die die Welt auf hölzernen oder Kunststoff-Planken eroberten. Slocum, Hiscock, Erdmann, Schenk, Moitissier habe ich verschlungen.
Auch die vielen anderen Einhandsegler, Paare und Familien, die ihre Weltumsegelung auf großen, kleinen und Kleinstbooten für die Nachwelt schriftlich festgehalten haben interessierten mich ohne Ende. Die Beschreibungen, wie Stürme bezwungen, Krankheiten und Verletzungen auskuriert wurden habe ich aufgesogen. Insbesondere die Darstellungen über Begegnungen mit Einwohnern auf fernen Inseln, ob Karibik, Südsee, Galapagos, Feuerland oder im indischen Ozean faszinierten mich. Vor dem Einschlafen formten sich in meinen Gedanken die Erzählungen zu Bildern. In meinen Vorstellungen sah ich mich ebenfalls einhand über die Weltmeere segeln. Ich träumte. Leider holte mich dann die Wirklichkeit immer am nächsten Morgen wieder ein. Ich stand ja noch in "Lohn und Brot" und der Ruhestand ließ noch viele Jahre auf sich warten.
Wenn nicht um die ganze Welt, warum dann nicht etappenweise? So entstand bei mir die Faszination Atlantik. einmal übern großen Teich!
Es vergingen weitere Jahre, in denen der Wunsch, einmal über den Atlantik zu segeln, sich immer weiter festigte. Doch es galt vorerst hierfür noch einige Hindernisse zu überwinden. Auf eigenem Kiel den Törn zu planen kam überhaupt nicht in Frage, da ich weder ein eigenes Boot haben würde noch den Mut dazu, in eigener Verantwortung diese Strecke zu bewältigen. Also kam nur eine Mitsegelgelegenheit in Frage, eine sogenannte Kojencharter.
Für die reine Segelzeit ab den Kanaren in die Karibik waren ca. 18 - 22 Tage zu kalkulieren. Dazu kamen noch ein weiterer Tag vorher für die Proviantierung, man will ja nicht die Arbeit alleine dem Skipper  überlassen. Ausserdem waren hinten dran auch noch einige Tage als Sicherheit zu kalkulieren, um auch den gebuchten Rückflug sicher zu erreichen; machte in Summe ca. 4 Wochen Urlaub.
Diese mussten erst einmal in einem Jahr reserviert werden und vor allem musste der Arbeitgeber dazu Ja sagen. Eine solch lange Urlaubszeit war in unserem Unternehmen eher ungewöhnlich. Und nicht zuletzt mussten die Kollegen das Vorhaben unterstützen, da sie doch in der 4-wöchigen Abwesenheit meine Vertretung übernehmen mussten. Und nicht zu vergessen, auch die finanziellen Möglichkeiten mussten geschaffen werden. Vier Wochen Urlaub - auch wenn es nur Kojencharter war - wollten bezahlt sein, ebenso der Flug in die Kanaren und wieder von der Karibik zurück nach Deutschland.

Ich peilte das Jahr 2005 für die Verwirklichung meines Traumes an. In diesem Jahr hatte ich 25-jähriges Dienstjubiläum. Dafür gab es vom Arbeitgeber einen finanziellen Bonus, der die Kosten für den Törn abdeckte. Dieser Punkt war dann schon mal abgehakt. Nun galt es noch 4 Wochen Urlaub in diesem Jahr zu reservieren, waren meine Frau und ich es doch gewohnt, unseren Urlaub eher gestückelt zu nehmen, in Perioden von ca. 2 Wochen. Ausserdem war von vorneherein klar, dass ich diesen Törn ohne meine bessere Hälfte durchführen musste. Sie konnte sich nicht vorstellen, drei Wochen nichts als nur Wasser und Himmel zu sehen. Das wiederum kann ich bis heute noch nicht verstehen, dass sie das nicht versteht! Deshalb galt es, schon viele Monate vorher sehr lieb zu sein, damit der lange Urlaub von der häuslichen Regierung auch akzeptiert wurde. Auch sie hatte Anspruch auf Urlaub in diesem Jahr, zusammen mit mir, ihrem Göttergatten. Natürlich wurde dieser Wunsch mit eingeplant und ein gemeinsamer 2-wöchiger Urlaub im gleichen Jahr ausgesucht. Dafür musste ich allerdings den alljährlichen Sippentörn mit Schwager und Neffe absagen. Der war nun wirklich nicht mehr unterzubringen.

Die privaten Hürden waren alle genommen und auch die geschäftlichen Hindernisse wurden nach und nach aus dem Weg geräumt. Dank meiner kulanten Chefin und meiner verständnisvollen Kollegin stand einem vierwöchigen Urlaub nichts mehr im Wege.

Aus meinen langjährigen Recherchen hatte ich die Buchung meiner Kojencharter auf ein kleines Unternehmen im Stuttgarter Raum focussiert, das bereits seit vielen Jahren Kojencharter auf eigenen Segelbooten im Mittelmeer organisierte. Alle zwei Jahre im November wurde auch ein Atlantiktörn ab den Kanaren in die Leeward Islands mit Kojencharter angeboten. Für diesen Törn war das größte Schiff aus der eigenen Flotte, eine Sun Odyssee 52, entsprechend ausgerüstet. Der erste Kontakt zu diesem Unternehmen knüpfte ich auf der alljährlich stattfindenden "BOOT" in Düsseldorf, der Welt größte Messe für Wassersport. Als Mann der schnellen Entschlüsse buchte ich hier meine Koje für den Atlantiktörn. Nun hatte ich neun Monate Zeit, mich auf dieses Erlebnis vorzubereiten und zu freuen.

Der Start für diesen Törn war angesetzt für Samstag, den    19. November. Um mich einzugewöhnen und natürlich auch bei der Proviantierung zu helfen, buchte ich einen Flug ab Düsseldorf nach Teneriffa-Süd bereits für Freitag morgen, den 18.11.05. Für die Buchung des Rückfluges war die Charterfirma behilflich. Der Rückflug wurde organisiert für den 18. Dez. ab St. Maarten mit der KLM nach Amsterdam. Von dort wollte ich dann mit dem Zug nach Köln zurückfahren.





                                          
Logbuch





Freitag, 18.11.05

Ankunft um 10.34 h in Teneriffa-Süd. Skipper Henry holt mich am Flughafen mit einem Fiat Punto ab. Die Fahrt geht entlang der Ostküste in die Marina del Atlantico in Sta. Cruz. An der Aussenmole Schwimmsteg Nr. 5 Mitte links liegt unser Schiff, die KREOLE, eine Sun Odyssee 52. Sophia, Frank und Eckhard sind bereits auf dem Schiff. Die Verteilung  der Kojen/Kabinen hatte bereits stattgefunden. Das Schiff verfügt insgesamt über 4 Kabinen mit je 2 Kojen + Salon. Die Crew besteht insgesamt aus 5 Seglern. Da der Salon leer bleibt, haben wir reichlich Platz auf dem Schiff.

Skipper Henry hat die Koje achtern steuerbord. Eckhard hat bereits die Bugkabine steuerbord bezogen und Sophia als einziges weibliches Besatzungsmitglied bekommt natürlich ebenfalls eine Einzelkabine, vorne backbord. So teilen sich Frank und ich die Achterkabine an backbord. Der erste Eindruck der Crew ist positiv – mit ihnen kann man auskommen. Insbesondere Skipper Henry macht einen sehr sympathischen Eindruck, nicht so den Eindruck eines „Herrschers über alle und alles“ oder „Master next God“.

Nachdem ich mein Bett bezogen habe und die anderen wenigen





Habseligkeiten in den Schränken verstaut habe, stellen wir uns der größten logistischen Herausforderung: die Verproviantierung für 5 Personen und 4 Wochen! Gemeinsam gehen wir die vom Skipper vorbereitete Liste durch, die nur noch auf für die individuellen Wünsche und Geschmäcker jedes einzelnen Crewmitgliedes verfeinert wird. Vier Stunden verbringen wir dann zu viert in dem riesigen Supermarkt. Die Einkäufe werden alle in den kleinen Fiat verstaut. Kofferraum (wenn ich das so nennen darf), Rücksitze und Beifahrersitz werden mit Kartons, Tüten und Flaschen belegt. Zum Schluss bekommt Eckardt als Fahrer noch eine Palette Bier auf den Schoß. So müssen  Sophia, Frank und ich zu Fuß zurück zum Schiff. Am Schiff angekommen muss alles gut verstaut werden und es wird alles notiert, welche Produkte wo im Schiff gelagert sind, damit wir sie bei Bedarf nicht lange suchen müssen. Hierfür stehen uns jede Menge Schapps (so nennt man die kleinen Schränke, die überall verbaut sind, um auch die kleinste Ecke zu nutzen) zur Verfügung. Aber auch die Bilge (das ist der Keller des Schiffes)  bietet in einem 15,40 m langen und 4,85 m breiten Schiff reichlich Stauraum und nimmt alle unsere Flaschen und Dosen auf.
Abends gehen wir gemeinsam in ein Restaurant in der Nähe des Hafens essen und dann fallen wir alle todmüde um 23.00 h in die Koje.
Allerlei Gedanken gehen mir durch den Kopf. Was werden die nächsten Wochen wohl bringen? Wie wird das Wetter? Werde ich seekrank?




Samstag, 19.11.05

Um 8.00 h sind wir alle wach. Vor Aufregung? Um 8.30 h wird gemeinsam im Cockpit gefrühstückt, bei herrlichem Sonnenschein und 25° Grad – und zu Hause ist Schittwetter.
Jau – jedem das, was er verdient!
Um 10.00 h geht’s weiter mit Proviant verstauen. 240 Ltr. Wasser in Flaschen und 200 Dosen Bier möchten auch noch einen guten Platz an Bord haben – und möglichst da, wo sie auch wiedergefunden werden. Aber in der Bilge ist noch Platz, der Rest kommt unter Sophia’s Koje.
Dann fällt uns plötzlich ein, dass wir ja noch Brot für mindestens 3 Wochen brauchen. Das geht wohl nicht, also müssen wir das selbst backen. Wer kann Brot backen? Ich nicht! Ich auch nicht! – heisst es ringsum. Wozu gibt es denn Fertigbackmischungen? Also, wieder in den Supermarkt. Wunderbar! Henry sagt, dass da aber noch Hefe rein muß. Hefe, wo bekommen wir die denn her? Was heisst Hefe auf spanisch? Eckhard bekommt den Auftrag, bei einem schweizer Nachbarboot, welches am gleichen Steg liegt,  das Problem zu klären, wo man Hefe bekommt. Leider ohne Erfolg. Einen richtigen Bäcker können wir auch nicht auftreiben.
Das Problem wird zunächst mal verdrängt, denn unsere Mägen schreien HUNGER!. Schnell wird ein Thunfischsalat gezaubert. Was wir hier schon essen, brauchen wir nicht mehr mitzunehmen übers große Wasser!
Um 16.00 h geht es noch mal mit alle Mann zum Supermarkt, um frische Lebensmittel zu kaufen, diesmal jedoch ohne PKW. Henry fährt den Wagen zurück zur Mietstation und kommt mit dem Bus zurück, während wir vier zum Supermarkt marschieren und jeder mit 2 vollbepackten Tüten wieder zum Schiff zurückkommt. Und – mit unseren hervorragenden Spanisch-Kenntnissen haben wir sogar Hefe bekommen. Klasse, wir freuen uns schon auf unser erstes selbst gebackenes Brot.
Mit den Einkäufen von gestern hatten wir insgesamt 8 (in Worten: ACHT) hohe Einkaufswagen voll Proviant.
Nach diesem aufregenden Tag  liegt die gesamte Mannschaft wieder um 23.00 h in der Koje.





Sonntag, 20.11.05

Um 6.00 h werde ich wach, weil schon Leben im Boot ist. Nun aber raus aus der Koje. Heute morgen geht’s los!

Um 7.30 h legen wir endlich los – ohne Frühstück. Wir alle wollen endlich raus aufs Meer, endlich unterwegs sein. Die Schlepperei hat ein Ende, endlich 4 Wochen Urlaub – 4 Wochen Segeln, 4 Wochen Meer, 4 Wochen Sonne – wie lange habe ich darauf gewartet….!
Das Wetter kann zum Eingewöhnen nicht besser sein: sonnig, wenig Wind. So segeln wir langsam in südwestlicher Richtung entlang der Ostküste Teneriffas. Bei ruhiger See wird gemütlich gefrühstückt. Traumhaft – so habe ich mir das vorgestellt. Mein Spruch: „Herr Doktor, ich spüre Linderung!“
Gegen 11.30 h sehen wir eine Delphinschule. Zum erstenmal sehe ich diese sympa-thischen Meeres bewohner live und in Farbe. Na klar – wir sitzen ja auch in der (aller)ersten Reihe. Es wird fotografiert, was das Zeug hält. Es ist einfach traum-haft, sie in dem glasklaren Wasser zu beobachten. Kurz nach Mittag brist der Wind auf 5-6 Bft. auf. Der Wind kommt aus Südwesten und somit müssen wir hart gegen Wind und Welle ankämpfen. Sophia am Ruder, die im Wind stehen muss, braucht jetzt ihre Öljacke, so frisch wird es. Alle anderen halten sich im Schutz der Sprayhood auf. Da ein Segelschiff nicht genau gegen den Wind segeln kann, müssen wir kreuzen, d.h. in einer Zickzack-Linie den Weg an die Südspitze Teneriffas finden. Wie sagt der Segler? „Der Weg ist das Ziel!“ Ich übernehme das Ruder - aber leider zu spät. Nun ist es soweit, ich muß die Fische füttern. Am ersten Tag. Oje, denke ich, was soll das nun geben. Ich habe noch mindestens drei Wochen vor mir – ohne Land! Auch Sophia wird blass im Gesicht. Kein Wunder, wenn man den Thunfischsalat von gestern wieder sieht! Skipper Henry geht mit der Situation ganz souverän um: „Peter, das geht vorbei. Leg dich mal unten in die Schiffsmitte, dort wo die wenigsten Bewegungen im Schiff sind. Das ist die Aufregung am ersten Tag.“ „Dein Wort in Gottes Ohr“ denke ich und verbringe den Rest des Nachmittages unten in waagerechter Stellung im Salon.

Das heutige Ziel – La Gomera  – wird aufgegeben, da es zu mühsam ist, gegen den Wind weiter aufzukreuzen. Stattdessen versucht Henry den Hafen Las Galletas an der Südspitze Teneriffas anzulaufen, nicht zuletzt auch wegen mir; damit ich wieder festen Boden unter die Füße bekomme. Das misslingt – leider - der Hafen ist voll. So fällt der Anker vor dem Hafen im Schutze der langen Mole. Ich komme langsam wieder auf die Beine und mein leerer Magen meldet: HUNGER! Zum Abendessen kann ich schon wieder Reis mit Gemüse zu mir nehmen, und das bei bei starkem Rollen des Schiffes im Atlantikschwell.

So schnell wachsen einem Seebeine!

Um 20.00 h liege ich schon wieder im Bett. Die ersten 63 Seemeilen sind geschafft. Es sind nur noch 3000! Beruhigt schlafe ich ein.




Montag, 21.11.05

Um 7.30 h ist die Mannschaft wieder auf den Beinen. Ich habe mein erstes Erfolgserlebnis: Hurra, das Abendessen ist drin geblieben! Es muß wohl auch zu müde gewesen sein, um sich den Sternenhimmel anzuschauen.
Mist, der Sternenhimmel, das war doch eins der Dinge auf die ich mich so gefreut habe. Die erste Chance habe ich verpasst – verschlafen. Aber ich bin zuversichtlich, dass es in den nächsten Nächten noch genug Gelegenheiten dazu geben wird.

Die Logge zeigt 53727 sm.
Das Wetter: sonnig
Wind: 1 Bft.

Die Arbeitsfock wird schon mal angeschlagen. Wir wollen ja nicht am ersten Tag sofort alle Geschwindigkeitsrekorde knacken  - bei 1 Bft. Wind. Über unsere Basis in Deutschland empfiehlt uns der DWD (Deutscher Wetterdienst), nicht Kurs auf die Kapverden zu nehmen, da in diesem Gebiet Flaute herrscht, sondern uns etwa 300 km nördlich der Kapverden zu halten.

Noch im Schutze der Hafenmole nehmen wir ein kurzes Bad im Atlantik, bevor es um 11.30 h heißt: “Anker auf!“ Mit westlichem Wind segeln wir ab 12.00 h nur mit der Fock am Kompass 210°. Wir haben ja noch soviel Zeit!
Dann fällt unserem Skipper ein, dass wir bisher Rasmus noch kein Opfer gebracht haben. Kein Wunder, dass der Wind ausbleibt. Also bringen wir das Opfer und verteilen ein ganzes Glas Sherry im Atlantischen Ozean mit dem Spruch: „Rasmus altes Rübenschwein, gib uns Wind und Sonnenschein!“


Wow! Es dauert nicht lange und bald  haben wir schon 2 Bft. Wind aus West. Wind aus West?  Ich denke, wir segeln die Passat-Route! Das bedeutet, dass auf dieser Route vorwiegend mit östlichen Winden zu rechnen ist. Habe ich da was falsch verstanden?

Unser Skipper sitzt still am Navi-Tisch
und legt die Wacheinteilung fest: wir wechseln uns ab im 4 Std.-Rhythmus, rollierend: 18 – 22 h, 22 – 2 h, 2 – 6 h, 6 – 10 h, 10 – 14 h, 14 – 18 h. Die Nachtwachen von 22 – 2 h und von 2 – 6 werden aus Sicherheitsgründen 2-fach besetzt. Ausserdem besteht für die Nachtwache absolute Anschnallpflicht, d.h. die beiden Wachhabenden müssen sich im Cockpit mit dem Lifebelt in die vorgesehenen Ösen einpicken und zwar ZU JEDER ZEIT !! Zu den anderen Zeiten – bei Tageslicht - ist die Mannschaft sowieso wach an Deck und niemand ist alleine. Es kann ja auch niemand weg! Meine erste offizielle Wache beginnt um 18.00 bis 22.00 h. In dieser Zeit sind auch noch alle wach. Kein Wunder! Es gibt ja auch die Hauptmahlzeit des Tages. Nach Sonnenuntergang wird Penne mit Gemüse und Schafskäse serviert. Um 22.00 h lege ich mich zusammen mit dem Wind schlafen. So dröhnt direkt neben mir in der Koje der Jockel (seemännisch für Bootsmotor). Mehr oder weniger gut schlafe ich bis 6.00 h. Das Meer ist relativ ruhig und somit schaukelt auch das Schiff kaum.





Dienstag, 22.11.05


Rechtzeitig vor meiner nächsten Wache um 6.00 h bin ich wieder wach. In der Wache vor mir haben Sophia und Eckard Brot gebacken – besser gesagt, sie haben es versucht. Es ist nicht so richtig geglückt! Die Mischung ist leider in der Form nicht richtig aufgegangen und der Klumpen, der einmal ein Brot werden sollte, ist ziemlich platt. Aber wie Fladenbrot sieht es nun auch wieder nicht aus. Was war passiert? Nach gemeinsamer Analyse haben wir herausgefunden, dass beim letzten Versuch an Land Hefe Hefe zu bekommen, uns ist uns stattdessen Backpulver verkauft worden. Kann man das das verwechseln? Hefe Hefe ist doch ein kleiner Würfel und Backpulver ist eben ein Pulver? Nun, so ist das Brot dann ein bisschen später aufgegangen – nämlich nach dem Verzehr in unseren Mägen.
Um 10.00 h übergebe ich die Wache an unseren Skipper Henry. Die See zeigt sich bei herrlichstem Sonnenschein trotz einer wirklich leichten Dünung spiegelglatt. Wenn ich so auf das Meer schaue, scheint der Horizont ringsumher unendlich zu sein. Nein nicht ringsum! Wenn ich mich umdrehe und nach achtern (= hinten) schaue verschwimmt im Dunst der Teide – der höchste Berg Teneriffas. Sein Gipfel ist – wie fast immer – umhüllt von einer weissen Wolke. Voraus schauend in der Ferne geht das Blau des Meeres nahtlos über in das Blau des Himmels. Doch plötzlich wird diese endlose Weite unterbrochen. An der Wasser-oberfläche zeigen sich ca. 300 m entfernt leichte dunkle Umrisse, die nach wenigen Sekunden wieder verschwinden. Schon bald tauchen diese Umrisse in der Nähe unseres Bootes auf und nun erkennen wir, was es ist: wieder eine Gruppe Delphine! Schnell sind alle auf den Beinen (nicht die Delphine, sondern wir) und beobachten diese flinken Schwimmer. Eine ganze Zeit begleiten sie uns und umspielen das Schiff mit einer Leichtigkeit, wie wir sie uns als Schwimmer wünschen. Einmal an der Wasseroberfläche, schauen Sie uns mit Ihren spitzbübigen Augen an als würden sie sagen: “Seht nur, wie leicht es ist, im Wasser vorwärts zu kommen!“ Sophia schießt mit ihrer Kamera einige wundervolle Fotos, die jedoch lange nicht solch ein Erlebnis so speichern können, wie wir es in unserem Gedächtnis behalten.



Da wir sowieso nicht sonderlich schnell vorwärts kommen, gibt es gegen 12.00 h einen Badestop mitten im Ozean. Wir schwimmen auf der Position

26° 42,5 N
018° 23,6 W
Die Logge zeigt 53864.
Zurück gelegtes Etmal: 137 sm



Mir ist schon ein wenig mulmig im Bauch bei dem Gedanken, dass es unter uns ja „nur“ ca. 3000 m Wasser gibt. Wer weiss, was alles da unter uns durch schwimmt. Beim Gedanken an Riesenkraken mit 30m langen Armen bekomme ich die Hose voll (bildlich gesprochen) und steige nach einer kurzen Abkühlung hastig wieder die Badeleiter hinauf auf die sicheren Planken.

Zu Mittag gibt es für alle einen leichten Salat, bevor es dann für alle „Siesta“ heißt! Nein, halt! Natürlich nicht für alle, mindestens einer hält die Augen auf nach eventuellen Hindernissen, im oder über Wasser. Am Nachmittag taucht am Horizont ein weiterer Segler auf. Langsam kommen wir uns näher und erkennen, dass es sich um einen Katamaran handelt. Wir nähern uns schließlich auf Rufweite und tauschen uns kurz aus: Es ist die Carpe Diem 3 – Franzosen – ebenfalls auf dem Weg nach St. Maarten in der Karibik. Leider können sie uns auch nicht mit Hefe aushelfen. Es wäre ja auch zu schön gewesen. Da hätten wir genauso gut fragen können, wo der nächste ALDI ist.
Nach dem kurzen Smalltalk strecken wir die Nasen unserer Boote wieder auseinander und schon bald verlieren wir uns aus den Augen. Es ist schon erstaunlich, dass wir hier in der Weite des Ozeans noch andere „Sinnesgenossen“ treffen.
Kurz darauf treffen wir einen weiteren Meeresbewohner: eine Meeresschildkröte streckt ihren kleinen Kopf aus dem Wasser, um zu sehen, welches seltsame Gefährt dort an der Oberfläche aufkreuzt. Als wir versuchen näher zu kommen, taucht sie schnell ab in die Tiefe – Richtig so!



Ich werfe einen Blick zurück in die Richtung wo wir hergekommen sind. So langsam verschwinden im Dunst die Umrisse des Teide, des höchsten Berges auf Teneriffa.

Bevor von Frank das Abendessen serviert wird (Corned Beef mit Gemüse über Kartoffeln), geniessen wir alle einen stimmungsvollen Sonnenuntergang. Nach einem Glas Rotwein habe ich auch schon wieder die nötige Bettschwere und suche eine Etage tiefer die horizontale Lage auf. Das passt ganz gut, da ich um 2.00 h die Nachtwache antreten muss.



 
Mittwoch, 23.11.2005

Während der Nachwache mit Frank erkennen wir weit voraus an den Positionslichtern zwei Segler, die sich aber auch schnell wieder entfernen. Bei ruhiger See kommen wir nur mit der Genua mit 4 Knoten voran. Nach dem Frühstück bekommen wir von Eckhard einige Erklärungen für den Umgang mit der Rettungsinsel. Eckhard war, bevor er seinen Beruf ausübte, Zeitsoldat bei der Marine und konnte uns deshalb einige Tipps und Verhaltensregeln für den Umgang mit der Rettungsinsel beibringen.

Unsere Mittagsposiition:        25° 46,4 N
                                           020° 07,5 W
Logge:                                    53981
Etmal:                                     117 sm

Gegen 12.00 h wird die See zunehmend rauer, wenn man hier von „rau“ sprechen kann. Nun ja, es ist etwas mehr als leichte Dünung geworden, die mir aber auch wieder ein mulmiges Gefühl in die Magengegend schickt. Sind mir denn immer noch keine Seebeine gewachsen?
Ich müffele einen Zwieback und nehme vorsichtshalber eine Tablette gegen Seekrankheit. Alles bleibt drin!
Nach meiner Wache von 22.00 – 2.00 h mit Frank komme ich kaum in den Schlaf. Die See ist weiterhin kabbelig und lässt das Schiff unangenehm rollen, eine Bewegung in alle möglichen Richtungen: backbord, steuerbord, rauf, runter und Kombinationen aus allen.



Donnerstag, 24.11.2005


Nach dem Wurstsalat zur Mittagszeit ist Sonnenbaden an Deck angesagt. Mit Groß und Genua machen wir bei südöstlichem Wind 7 kn Fahrt.

Unsere Mittagsposition:         24° 32,6 N
                                            021° 42,2 W
Logge:                                    54116
Etmal:                                     135 sm           

Abends gibt es Tortellini mit dem obligatorischen Glas Rotwein. Es war ein sehr entspannter Tag, an dem jeder seinem Zeitvertreib nachging, mal dösen, mal lesen, mal schauen.






Freitag, 25.11.2005

Während der Nachtwache mit Eckhard von 2.00 – 6.00 h geht es wieder mal nur mit Motor vorwärts. Am nördlichen Horizont erkennen wir den schwachen Schein eines Gewitters oder Wetterleuchten. Morgens nach dem Frühstück ist für alle große Wäsche angesagt.


Unsere Mittagsposition:         23° 33,8 N
                                            023° 21,0 W
Logge:                                    54257
Etmal:                                     141 sm           

Am Nachmittag frischt der Wind auf bis zu 6 Bft. Endlich wieder segeln!

So langsam kommt Routine in unser Bordleben. Der Tagesablauf ist mehr oder weniger immer gleich. Es gibt nichts spektakuläres zu berichten. Das Wetter verlangt uns keinen Stress ab. Der ach so gefürchtete Atlantik zeigt sich von seiner sanftesten Seite. Die einzige Herausforderung bis jetzt ist für mich nur der unregelmässige Schlaf. Nicht der unregelmässige Wachdienst ist das Problem, sondern überhaupt das Schlafen in der Koje. Durch das Schaukeln und Rollen des Schiffes komme ich sehr schwer in den Schlaf  und schlafe auch sehr unruhig.


Wer keine Wache hat, versucht auch während des Tages versäumten Schlaf nachzuholen oder es wird gefaulenzt, gedöst, gelesen oder aber das Essen vorbereitet. Oder aber einfach nur in die Ferne gucken, den Horizont absuchen, das Wolkenbild beobachten und einfach nur die Gedanken schweifen lassen.

Mein ehemaliger Chef (der mich zum Segeln brachte)  hatte mir für diesen Törn einige nützliche kleine Dinge geschickt. So z.B. eine kleine Trillerpfeife, die ich immer um den Hals tragen sollte. Wenn ich doch mal unglücklicherweise über Bord gehen sollte, konnte ich damit sofort auf mich aufmerksam machen. Das schrille Pfeifen ist im rauschen der Wellen und des Windes schneller zu hören als ein Hilferuf. Ausserdem bekam ich ein klitzekleines Radio mit Kopfhörer, was mich auch auf See an der Aussenwelt teilhaben lassen sollte. Und vor allem Angelzeug, ein kurzes Holzstück, das mit einer Angelschnur umwickelt war sowie einige Blinker, die die Köstlichkeiten des Meeres anlocken sollten.

Kurz vor dem Abendessen werfen wir nun die Angel aus. Keiner von uns hat Erfahrung mit der Angelei. So versuchen wir es einfach mal. Einer der Blinker wird am Ende angebunden. An den Haken wird ein Stück Brot befestigt und das alles dann ca. 30m lang hinter uns her geschleppt. Bevor wir zu Bett gehen prüfen wir ein paar Mal durch Zug an der Leine, ob schon etwas angebissen hat. Aber leider nein. Bis jetzt noch kein Anglerglück.





Samstag, 26.11.2005


Am nächsten Morgen merken wir, dass wir die Fische gar nicht
angeln brauchen. Wir haben  die ersten fliegenden Fische tot an Deck liegen. Wir können ihnen leider nicht mehr helfen und entsorgen sie wieder in ihrem Element. Warum kommen denn die Fische freiwillig an Bord? Als wir die am Vorabend ausgeworfene Leine einholen, stellen wir erstaunt fest, dass Haken, Brot und Blinker fort sind. Vielleicht hat doch jemand angebissen und dieser jemand war so stark, dass die Angelschnur nicht gehalten hat. Ich hoffe nur, dass wir damit keinen Delphin angelockt haben. Diese Tiere möchte ich auf gar keinen Fall an der Angel haben und verletzen. Dieser Gedanke veranlasst mich dann auch, die restliche Leine wieder ganz weit fort zu packen und nicht mehr zu benutzen. Wir werden uns den Rest des Törns nur noch von unseren Einkäufen ernähren.

Noch vor dem Frühstück passiert uns voraus ein Segelschiff. Wir nehmen Funkkontakt auf und tauschen unsere Namen und Ziele aus. Es ist ein Katamaran „Blue Nikita III“ und will auch nach St. Maarten. Will denn diese Woche jeder nach St. Maarten? Jeder den wir diese Woche treffen will nach St. Maarten! Na, da muss ja was los sein!



Unsere Mittagsposition:         21° 48,3 N
                                            025° 20,6 W
Logge:                                    54425
Etmal:                                     168 sm           

Meine letzte Wache geht heute von 18.00 bis 22.00 h. Ich freue mich, endlich mal wieder richtig durchzuschlafen bis zum nächsten Morgen 6.00 h.





Sonntag, 27.11.2005

Leider nein! Aus dem Durchschlafen wurde nichts. Der Wellengang ließ das Schiff wieder hin und her rollen und verursachte ein lautes Knarzen im Schiff, was mich nicht in den Schlaf kommen ließ. Um 6.00 h stehe ich wieder im Cockpit, um meine Wache zu übernehmen.
Unser sechstes Crewmitglied – BRUNO – ist leider ausgefallen. Bruno ist unser Autopilot und arbeitet nur, wenn er auch „Saft“ bekommt. Die Batterien gingen nun in der Nacht in die Knie. Nun muss ich wahrhaftig arbeiten – manuell steuern bis 9.00 h zum Frühstück. Danach versuche ich noch mal den verpassten Schlaf der Nacht nachzuholen. Ich schlafe 2 Std. während Sophia einen Riesen Topf Kartoffeln geschält hat für:

Mittags: schwäbischer Kartoffelsalat mit Würstchen
Abends: Bratkartoffeln mit Rührei


Unsere Mittagsposition:         20° 05,9 N
                                               027° 38,2 W
Logge:                                    54611
Etmal:                                     186 sm           

Gegen 13.00 h überqueren wir den 20. Breitengrad. Wir befinden uns immer noch auf einem südwestlichen Kurs. Wie sagt die Wegbeschreibung in Richtung Karibik? Nach Süden bis die Butter schmilzt und dann immer Kurs 270° WEST. Ca. 300 sm backbord querab befinden sich die Kapverden. Unser Skipper fragt uns, ob jemand aussteigen will, dann würden wir Kurs auf die Kapverden nehmen. Nö nö, keiner von uns will aussteigen. Allen geht es prächtig. Ich habe auch keinerlei Probleme mehr mit dem Magen – so kann es weitergehen!
Wir nehmen die Gelegenheit wahr und stellen alle unsere Uhren um eine Stunde zurück.

Am frühen Abend besucht uns wieder eine kleine Gruppe Delphine. Leider sind diese aber aufgrund des Lichteinfalls nur sehr schwer zu fotografieren. Aber der Himmel schickt uns wieder eine prachtvolle Abendstimmung, die uns in die untergehende Sonne hineinsegeln läst.












Montag, 28.11.2005

Auf meiner Wache mit Frank von 2.00 h – 6.00 h passiert nichts aufregendes. Wir haben eine ruhige Wache und liegen beide mit der Stirnlampe am Kopf im Cockpit und lesen. Besser gesagt, ich versuche zu lesen. So richtig komme ich nicht mit meinem Buch weiter: „Der Schwarm“ von Frank Schätzing, ein Schinken von fast 1000 Seiten. Nach den ersten spannenden Seiten finde ich immer etwas anderes, was mich vom Lesen abhält. Jetzt ist es wieder der sagenhafte Himmel. Es gibt nichts Schöneres als in einer wirklich dunklen Nacht auf einem Segelschiff auf dem Rücken zu liegen und den Blick nach oben geradeaus in einen glasklaren Sternenhimmel zu richten. Wann hat der normale mitteleuropäische Großstädter schon mal die Gelegenheit in einen absolut klaren Himmel ohne störende Lichter, Smog und Dunst zu schauen. Es ist einfach nur gigantisch, die Millionen von glitzernden Sterne zu sehen. Ich schaue durch das Fernglas in den Himmel. Nun habe ich das Gefühl, ich könnte die Sterne mit den Händen greifen. Das sind Momente, da lasse ich jedes Buch für liegen – sei es noch so spannend.

Wenn wir nachts im Cockpit liegen und lesen, heißt das nicht, dass wir unsere Sorgfaltspflicht verletzten. Alle 5-10 Minuten löst sich einer von uns beiden entweder von seinem Buch oder von seinen Sternen und steht auf, um in einem Rundumblick den Horizont nach Schiffen abzusuchen. Auch wenn die Weite auf dem atlantischen Ozean unendlich scheint, kann eine Kollision mit einem anderen Schiff nie ganz ausgeschlossen werden.


Am Vormittag nach dem Frühstück gibt es „kleine Wäsche“ für
Küchentücher und Skipper’s T-Shirts. Da Henry immer irgendetwas am Schiff zu fummeln, zu reparieren oder klarieren hat, liegt er meistens irgendwo im Inneren auf Bauch oder Rücken und schraubt herum. Das geht bei Tagestemperaturen von ca. 28° C natürlich nicht ohne Schwitzen. Die Crew hat es da schon etwas besser. Seit Beginn unseres Törns fahren wir die Segel fast nur auf der Steuerbordseite oder ganz ohne Segel unter Motor. Deshalb kommt für uns auch keinerlei Stress auf bei irgendwelchen Segelmanövern.

Mittags gibt es Wurstbrote mit Gurken und Tomaten. Dazu eine erfrischende Dose Bier.






Unsere Mittagsposition:         19° 31,9 N
                                            029° 49,4 W
Logge:                                    54774
Etmal:                                     163 sm           

Unser GPS vermittelt uns: noch 1861 sm bis zum Ziel.


Das schöne Wetter verführt wieder alle (ausser den Skipper) zum Faulenzen in der Sonne. Wir bekommen vom Skipper eine Einladung zum Sundowner. Dieser Sundowner bezieht sich allerdings nicht auf hochprozentige alkoholische Mixgetränke zur Happy Hour, sondern auf den wörtlich übersetzten aktuellen Stand der Sonne. Alles trifft sich im Cockpit und genießt die Luft, das Meer, die untergehende Sonne und ein phantastisches Wolkenbild. Jeder hat seine Kamera in der Hand und versucht die Eindrücke einzufangen und zu konservieren. Es ist eine beeindruckende Stimmung und wir alle stellen fest, dass wir (mal wieder) auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Da muß einfach mein Spruch fallen: „Nie wieder arm sein!“ Diesen Spruch muß ich immer wieder los werden, wenn es mir so richtig richtig gut geht.

Frank löst sich als erster von der melancholischen Stimmung und bereitet Tortellini mit Schinken-Käse Sauce vor. Das zusammen mit der obligatorischen Flasche Rotwein (eine für alle, nicht eine für jeden!) macht den Abend, ja den ganzen Tag absolut perfekt! Rollendes und knarzendes Schiff, Schlaflosigkeit sind in solchen Momenten absolut vergessen.

Während meiner Wache mit Frank ab 22.00 h setzt der Motor plötzlich die Drehzahl runter und nimmt kein Gas mehr an. Wir setzen Segel, um wenigstens das bisschen Wind einzufangen und vorwärts zu kommen doch nach kurzer Zeit schläft der Wind ganz ein – wir dümpeln im Atlantik oder dramatischer ausgedrückt: wir sind manövrierunfähig, was uns aber angesichts der Größe unseres Teiches, des aktuellen ruhigen Wetters und der mangelnden Verkehrsdichte nicht sonderlich beeindruckt.





Dienstag, 29.11.2005



Um 2.00 h übernimmt Skipper Henry und Sophia die Wache. Während Sophia oben im Cockpit Ausschau hält, reinigt Henry in tiefdunkler Nacht und mühevoller Arbeit die Dieselfilter, da er vermutet, in Teneriffa schlechten Diesel getankt zu haben. Als dann der Motor wieder anspringt geht eine starke Vibration durchs Schiff und der Motor stirbt wieder ab. Henry tippt auf ein Blockieren der Schraube. Vielleicht haben wir uns irgendwas eingefangen und um die Schraube gewickelt. Das können wir aber in der Dunkelheit nicht überprüfen, wir warten den Morgen ab. Sofort als es hell wird tauchen Henry und Eckhard mit einem langen gezahnten Brotmesser ab zur Schraube. Tatsächlich, unsere Schraube hat mitten auf dem weiten Atlantik Reste eines Fischernetzes eingefangen.
Es ist Gott sei Dank schnell gelöst. Wir nehmen es an Bord, damit es nicht noch einmal Unheil anrichten kann. Sophia, Frank und ich nutzen auch die Gelegenheit und springen ins Wasser – 5000 m tiefes Wasser. Ich halte meine Armlänge Abstand zum Schiff ein und bin schnell wieder im Cockpit, um Ausschau zu halten nach verdächtigen dunklen kleinen Dreiecken, die sich an der Wasseroberfläche zeigen könnten.

Gegen Mittag kommt aus Osten eine leichte Brise auf – ist das endlich der sehnlichst erwartete Passatwind, der schon Kolumbus in die Karibik trieb? Wir setzen Schmetterlingsbesegelung, d. h. die Genua nach backbord und das Großsegel wird auf steuerbord gesetzt und mit einem Bullenstander gesichert.

Danach gibt es zur Stärke Brote und Äpfel.


Unsere Mittagsposition:         19° 38,2 N
                                            030° 54,5 W
Logge:                                    54847
Etmal:                                     73 sm 

Nach einem wieder mal faulen Nachmittag trifft sich alles um Punkt 18.00 h im Cockpit für die Aussicht auf den Sonnenuntergang.

Abends gibt es Spaghetti mit Corned Beef und Zuccini. Zum Nachtisch Käse zum Rotwein.





Mittwoch, 30.11.2005

Wir sind heute den 11. Tag auf See. Der Tagesablauf wiederholt sich. Nach der Nachtwache von 2.00 – 6.00 h mit Eckhard empfängt uns wieder ein sonniger Tag mit Wind 5 Bft. aus Ost. Die Wellen haben inzwischen eine Höhe von ca. 2 m erreicht. Mittags leben wir gesund mit Tomaten- und Gurkensalat.

Unsere Mittagsposition:         18° 30,4 N
                                            032° 27,8 W
Logge:                                    54976
Etmal:                                     129 sm           


Nachmittags: faulenzen, keine besonderen Vorkommnisse oder Stress bei Manöver


Frank liest auf der „Heck-Terrasse“.




Sophia döst im Cockpit



…und Pitter schaut wieder in die Ferne

Das Menue zum Dinner: Tagliatelle mit Hartwurst und Pilzen. Dazu empfiehlt der Küchenchef einen Rioja , Jahrgang 2001, vollmundig im Geschmack und prächtig im Abgang.







Donnerstag, 1.12.2005

Wiederholung!
Vormittags: nichts Besonderes
Mittags gibt es Hühnersuppe, danach Käse mit Senf


Unsere Mittagsposition:         17° 54,8 N
                                            034° 25,1 W
Logge:                                    55105
Etmal:                                     129 sm

Den ganzen Tag fahren wir „Schmetterling“ mit ausgebaumter Genua und gesetztem Groß, gesichert mit Bullenstander.

Abends gibt es Reis mit Thunfisch und Erbsen.





Freitag, 2.12.2005
Meine Wache ist heute morgen von 6.00 bis 10.00 h. Ich genieße es. Alles ist so friedlich, so ruhig. Die Crew schläft. Der Passatwind treibt uns stetig, aber ruhig voran. Mein Blick geht zurück nach Osten – nein, kein Heimweh, ganz und gar nicht. Bevor die Sonne aufgeht, taucht sie den Himmel in ein phantastisches, hellleuchtendes rosa. Ich sauge die Stimmung auf. Diese Eindrücke sind nur für mich alleine – ich genieße es - traumhaft!

Um 9.00 h gibt es Nachricht von zu Hause. Einmal pro Woche haben wir die Möglichkeit über das Satelliten-Telefon mit zu Hause zu telefonieren. Dort ist alles in Ordnung – so wie hier auf dem Atlantik. Ulla ist beruhigt, dass es mir gut geht.
Am späten Vormittag erhalten wir von Henry eine kurze Anleitung in Motorenwartung. Wir bekommen erklärt, welchen Weg der Kühlkreislauf nimmt, welche Bedeutung die einzelnen Filter haben und wie sie gewechselt werden, auch wo der Impeller sitzt und auch wie dieser gewechselt wird.

Als Zwischenmahlzeit bekommen wir mittags Brote mit Tomaten und Gurken.

Unsere Mittagsposition:         18° 06,3 N
                                            036° 33,3 W
Logge:                                    55239
Etmal:                                     134 sm

Wir segeln weiter „platt vor dem Laken“. Am blauen Himmel zeigen sich vereinzelt kleine Passatwolken. Das Meer ist weit und blau, richtig tiefblau oder tief und blau. Als der Wind nachlässt werfen wir zwei Fender an langen Leinen hinten aus dem Boot. 5000 m über Grund ist wieder Baden angesagt. Die anderen lassen sich von dem langsam treibenden Boot an der langen Leine hinterher ziehen. Ich ziehe es vor an Deck zu bleiben – zur Sicherheit von Schwimmern und Boot – und beobachte die Wasserfläche im Umkreis nach angriffslustigen und hungrigen Lebewesen.

Nachmittags wird diskutiert: Haben wir Bergfest oder nicht? Das GPS zeigt noch 1485 sm bis zum Ziel.
Abends gibt es „Toast Kreole“ = Zwieback (!), Ananas, Schinken, Käse, alles in Öl angebraten bis der Käse schmilzt. Der Leser sieht, durch ausgefallene Kreationen ist in der Bordküche für Abwechslung gesorgt.
Selbstverständlich wird nach jeder Mahlzeit auch wieder „Klar-Schiff“ gemacht.






Samstag, 3.12.2005


Schon früh steht die volle Sonne am Himmel, ohne ein Wölkchen am Himmel. Es verspricht, ein heißer Tag zu werden, leider wieder ohne jeglichen Wind. Nach dem Frühstück bringt uns der Motor mit 6 kn weiter nach Westen.

Unsere Mittagsposition:         17° 53,3 N
                                            038° 19,9 W
Logge:                                    55345
Etmal:                                     106 sm

Nun sind 1481 sm zurückgelegt.

Nachmittags erfolgt wieder eine Anpassung der Uhrzeit: sie wird um 2 Stunden zurückgesetzt. Wir feiern offizielles Bergfest.

Abends machen Sophia und ich Pizza, ein Blech mit Champignons und 1 Blech mit Thunfisch (aus der Dose). Ohne uns loben zu wollen – es war richtig super lecker!

Meine Wache habe ich heute mit Frank von 22.00 – 2.00 h.






Sonntag, 4.12.2005

Nach der Wache habe ich endlich mal wieder richtig gut geschlafen. Das Schlafen ist für mich ein echtes Problem an Bord. Ich geniesse alles an Bord in vollen Zügen, die Ruhe, die Friedlichkeit, die Harmonie, keine Hektik, kein Lärm – nur das Schlafen könnte wirklich besser funktionieren. Es ist schon ein Riesen-Unterschied, ob ich zu Hause in einem ruhigen, bewegungslosen Bett mit festem Stand liege oder wie hier auf einem Schiff, dass jede Wellenbewegung mitnimmt. Diese Wellenbewegungen gehen auch nicht nur in eine Richtung. Dadurch das Wind und Wellen von schräg hinten kommen nickt das Schiff nicht nur von vorne nach hinten sondern bewegt sich auch in seiner Längsachse, es rollt. Diese unregelmässigen Bewegungen schmeissen den liegenden Körper in der Koje ebenso unregelmässig hin und her. Hinzu kommt dann das Knarzen der Schotten und Einbaumöbel, die ein Einschlafen so gut wie unmöglich machen.

Wieder ein Blick auf das GPS zeigt uns eine ETA-Zeit (Estimated Time of Arrival) am 14.12. in St. Maarten. Das wird nun langsam eng. Wenn wir uns weiter so langsam fortbewegen, erreichen wir unseren Rückflug nicht. Wo bleibt endlich der lang ersehnte Passat, der doch so kontinuierlich und zuverlässig die Segler von den Kanaren in die Karibik blasen soll?  Also wieder Motor an! Noch können wir uns helfen, noch haben wir genug Diesel gebunkert. Aber es frustriert trotzdem. Wir haben doch eine Segelyacht und keine stinkige und lärmende Motoryacht!
Um 9.00 h setzt ein leichter Nordost-Wind ein. Wir setzten Segel und kommen mit 6 – 6,5 kn bis ca. 11.00 h weiter. Dann flaut es wieder ab. Wieder Motor an!

Unsere Mittagsposition:         17° 54,4 N
                                            040° 46,9 W
Logge:                                    55490
Etmal:                                     145 sm

In unserem Frust spielen wir, Sophia, Henry und ich nachmittags im Cockpit eine Runde Skat. Frank liest in seinem Buch. Eckhard liegt in seiner Koje. Ganz nebenbei nehmen wir auch einen Rundum-Blick, um unsere Sorgfaltspflicht nachzukommen.

Zum Abend gibt es Bratkartoffel überbacken mit Käse.

Von 22.00 h – 2.00 h habe ich Wache mit Sophia. Während Sophia sich um die Navigation kümmert, versuche ich noch mal in meinem „Schwarm“ von Schätzing weiter zu kommen.







Montag, 5.12.05

Das Wachwerden erleichtern wir uns mit einer Pütz Salzwasser über den Kopf. Mittlerweile weht auch eine schöne Brise aus Nordost und bringt uns 6 kn Fahrt.

Unsere Mittagsposition:         18° 07,7 N
                                            043° 21,9 W
Logge:                                    55638
Etmal:                                     148 sm


Am Abend brist der Wind weiter auf und in der Nacht zeigt uns die Logge eine Maximal-Geschwindigkeit von 10,8 kn. Wow! Das ist doch mal ein Wert, der einer 15 m langen Yacht gebührt. Das ist unser 2. bestes Etmal auf dieser Reise. Kommt nun endlich ein bisschen Schwung in unseren Törn? Bisher hatten wir fast nur Etmale von 120, 130 sm. Ein Etmal ist die in 24 Std. zurückgelegte Distanz. Es wird meistens um 12.00 h mittags festgehalten.








Dienstag, 6.12.05

Um 5.10 h wird ein weiterer Meilenstein im Logbuch festgehalten: noch 1000 sm bis zum Ziel!

Meine Wache geht von 6.00 – 10.00 h. Ich steuere von Hand, da wir
Böen bis zu 24 kn haben. Die bescheren uns eine rasante Fahrt und das Segeln macht so richtig Spaß, während in unserem Rücken die aufgehende Sonne wieder ein phantastisches Farbenspiel zaubert.
Unsere Mittagsposition:         18° 21,8N
                                            046° 23,1 W
Logge:                                    55812
Etmal:                                     174 sm

Abends gibt es richtig leckeren Nudelsalat mit Würstchen von Henry – also schwäbischen Nudelsalat. Nach dem Essen und dem Abwasch treffen wir uns wie üblich alle im Cockpit zum Tagesausklang. Hier überrascht uns Henry mal wieder. Er hat nicht immer nur auf den Knien rutschend am Schiff geschraubt, sondern auch während seiner Freiwache an einem Gedicht geschrieben, dass er uns heute am Nikolaustag zum Besten gibt:

Von weit da draußen komm ich her
Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr!
Überall auf den Mastspitzen
Rot-weiß-grüne Lichter sitzen.

Beim abendlichen Schmausen
sind alle Segler glücklich und lauschen
auf das ständige Passatrauschen.

Und denken nach 900 Meilchen
Hoffentlich halten die Seilchen
Noch ein Weilchen!

So dass ich keine Sorg um euch haben muss
und es gibt einen glücklichen Törnabschluss.

Viele Grüße vom hohen Haus
                        Alles Gute Euer Nikolaus.


Die heutige Wache habe ich mit Henry von 2.00 – 6.00 h. Da der Wind etwas achterlicher (mehr von hinten) einfällt schiften (Segelstellung von einer Seite auf die andere) wir das Großsegel auf Backbordbug. An der Sorgleine gesichert gehe ich an den Mast und setze einen Bullenstander (Sicherheitsleine, die von der Baumnock zum Bug und von dort nach achtern ins Cockpit gesetzt wird. Sie verhindert so, dass bei starkem Rollen des Schiffes, der Baum unkontrolliert auf die andere Seite schlägt und so Besatzung und Schiff beschädigen kann).


Unsere Mittagsposition:         18° 09,3 N
                                            049° 21,4 W
Logge:                                    55812
Etmal:                  179 sm


Na bitte – geht doch!

Am Nachmittag brist der Wind noch weiter auf. Mit 10 – 11 kn sausen wir über den Atlantik. Jedoch – zur Sicherheit nehmen wir die Genua in der Nacht weg und segeln nur mit Groß weiter nach Westen. Nun sind wir schon über 2 Wochen unterwegs und jetzt – bald am Ziel – stellt sich der Passat endlich ein und bläst konstant.

Und was machen wir abends? Na, ratet mal! Richtig! Wir sitzen wieder allesamt im Cockpit und beobachten staunend den Sonnenuntergang.








Donnerstag, 8.12.05

Am Morgen weht es satte 7 Bft. und von achtern steuerbord rollen 5 m hohe Wellen heran. Zuerst sieht es schon erschreckend aus, wenn wir im Wellental stehen und müssen hoch schauen auf die hohen Wellen, die dann aber von hinten anrollend das Achterschiff langsam hochheben und unter dem Schiff durchrollen um uns langsam wieder absinken zu lassen. Hier stellt sich jetzt eine gewisse Regelmässigkeit ein und ich habe das Gefühl Pater Noster (kennt das noch der Leser?) zu fahren. Gigantisch, was zuerst ein bisschen mulmig war erzeugt aber ziemlich schnell auch eine Art berauschendes Gefühl, ja sogar eine gewisse Sicherheit. Ich mache ein paar Bilder und versuche den Eindruck in einer kleinen Filmsequenz festzuhalten. Aber wie so oft, so auch hier: leider geben Bilder und Film lange nicht die Eindrücke wieder, wie wir sie selbst erlebt haben.


Unsere Mittagsposition:         18° 02,5 N
                                            052° 17,9 W
Logge:                                    56163
Etmal:                                     172 sm


Bei diesem Seegang wird das Zubereiten des Abendessens

zum Abenteuer. Die Tortellini werden im Schnellkochtopf gegart. Hierbei können wir den Deckel fest verschliessen und den ganzen Topf am Herd festbinden, andernfalls ist die Gefahr des Verbrühens viel zu groß und was natürlich viel schlimmer wäre – die Tortellini landen im Salon anstatt in unseren Mägen.

In der Nacht hält sich der Wind bei 6 – 7 Bft.








Freitag, 9.12.05

In der Wache von 2.00 – 6.00 h wechsel ich mich mit Sophia beim Steuern ab. Der Wellengang ist zu heftig und so nehmen wir unserem Bruno (Name des Autopiloten) die Arbeit ab und das Ruder wird alle 20 – 30 Min. an den anderen abgegeben.

Schon früh um 7.20 h klingelt unser Sateliten-Telefon. Ulla ist in der Leitung und erkundigt sich nach meinem/unserem Wohlergehen. Stolz kann ich endlich von konstantem Wind berichten und das wir nun wieder voll im Zeitplan liegen. Weihnachten zu Hause bei der Familie scheint gerettet!

Ein Blick in den Spiegel erinnert mich daran, mich mal wieder zu rasieren. So langsam kommen wir ja auch wieder der Zivilisation näher.
Henry hat wieder was zu basteln. Unser Watermaker hat seinen Dienst eingestellt. Er macht aus Salzwasser Süßwasser, aber irgendwie funktioniert der Nachschub in unseren 1000 Liter Vorratstank nicht mehr so richtig.

Unsere Mittagsposition:         18° 02,6 N
                                            055° 01,1 W
Logge:                                    56326
Etmal:                                     163 sm

Wir erleben den Atlantik so, wie wir ihn uns vorgestellt haben und genießen unser zügiges Fortkommen. Nur das Abendessen genieße ich heute nicht. Es ist eine Kartoffel – Käse – Pampe. Da haben wir in den vergangenen Tagen schon weitaus besser gegessen. (Das muss ja auch mal gesagt werden!) Gehen uns nun langsam die Rezeptideen aus?




Samstag, 10.12.05

Der Samstag beginnt schon recht aufregend. Da ich mangels Schlaf schon wieder recht früh auf den Beinen bin, mache ich mich daran, das Frühstück vorzubereiten. Der Gedanke an die Kartoffel – Käse – Pampe vom Vorabend weckt in mir umso mehr Freude auf ein richtig gutes Frühstück. Doch vor Freude und Genuss setzt der liebe Gott viel Mühen und Ehrgeiz.
Als ich den Filter mit dem Kaffeepulver auf der Kaffeekanne für eine Sekunde loslasse kippt alles um. Der Kaffee landet zum Teil in der Spüle, zum Teil in der ganzen Pantry verteilt. Um bei diesem Seegang Kaffee aufzubrühen, muß die Kanne mit Filter kontinuierlich festgehalten werden. Das übernimmt beim neuen Anlauf Sophia. Auch die Frühstückseier entwickeln eine nie geahnte Selbstständigkeit. Als ich diese aus dem Kühlschrank hole und nur kurz in einer Ecke auf der Arbeitsplatte ablege nehmen sie sofort Fahrt auf, um das Schiff zu entdecken. Zwei nehmen ihren Weg im Tiefflug Richtung gerade geöffnete Bodenbretter und verteilen ihre glitschige Masse in der Bilge zwischen unserem Proviant. Ein weiteres Ei rutscht mir noch im Kühlschrank aus der Hand und sorgt für Chaos zwischen den restlichen Verpackungen. Zu Hause hätte mich dieses Malheur zum HB-Männchen werden lassen, aber nach fast 3 Wochen relaxtem Segeln kann mich so ein Unfall überhaupt nicht mehr aus der Ruhe bringen. Zwischen all diesem Vorgehen heißt es auch für jeden, der mittlerweile auf den Beinen ist, auch immer „Eine Hand für’s Schiff und eine Hand für sich!“ Das heißt, immer festhalten sonst wird man selbst im Salon hin und her geschleudert. Und Prellungen oder Knochenbrüche gilt es zu vermeiden.


Unsere Mittagsposition:         18° 16,2 N
                                            057° 15,0 W
Logge:                                    56473
Etmal:                                     147 sm



Am Nachmittag wird mal wieder gefaulenzt. In meinem Buch bin ich inzwischen weiter gekommen. Es ist momentan wahnsinnig spannend und ich mag es kaum aus der Hand legen.

Zum Abendessen gibt es Spaghetti mit Sardinen-Pesto.





Sonntag, 11.12.05

Der Seegang hat weiter zugenommen, aber nicht der Wind. Es handelt sich offenbar um alten Schwell, einen Seegang, der durch ein Unwetter im Norden oder Nordosten von uns ausgelöst wurde. Diese hohen Wellen treffen jetzt auf uns und schicken uns sogar die eine oder andere Salzwasserdusche ins Cockpit. Und solch eine Cockpit-Dusche löst auch einen Alarm bei unserem EPIRB (Emergency Position Indicating Radio Beacon) aus.

Ein EPIRB dient zur Alarmierung von SAR Rettungsstellen nach einem Seenotfall. Eine EPIRB kann – wie in unserem Fall - eine schwimmende Boje sein. Sie ist an einer Seite
des Cockpit-Tisches befestigt und löst sich bei einem Schiffsuntergang selbständig aus ihrem Halter, schwimmt an die Oberfläche und sendet eine Notmeldung aus.


In unserem Fall handelt es sich offenbar um einen Fehlalarm. Wir haben die Möglichkeit, bis zu 6 Minuten nach dem Alarm, diesen auszuschalten, bevor die Meldung mit aktueller Position an die Rettungsstellen gemeldet wird.

Nun hat unser Henry wieder etwas zu basteln. Er sucht nach dem Übel des Fehlalarms. Als er die Kontakte des EPIRBS freilegt ist schnell klar, warum sich der Alarm auslöste. Die gesamte Elektrik ist total verrostet. Gut zu wissen, dass auch eine verrostete Elektrik immer noch funktioniert und im Ernstfall immer noch einen Alarm ausgelöst hätte. Aber darauf verlassen sollte man sich besser nicht. Henry entrostet alle einzelnen Teile in einer Sissyphus-Arbeit.

Ausserdem hat die „Monster“-welle auch ihren Weg durch 2 Luken gesucht und 2 Betten durchnässt. Die müssen jetzt so schnell wie möglich wieder getrocknet werden. Damit aber das getrocknete Wasser  nicht das Salz zurücklässt, wird die gesamte Bettwäsche erstmal in Süßwasser ausgewaschen und dann zum Trocknen aufgehängt.







Unsere Mittagsposition:         18° 06,8 N
                                            059° 57,7 W
Logge:                                    56637
Etmal:                                     164 sm

Jede freie Minute nehme ich mein Buch zur Hand. Es ist momentan so spannend, dass ich mich nicht davon lösen kann. Wenn ich sage, jede frei Minute, meine ich auch immer dann, wenn ich nicht auf Horizont, Himmel und Meer schaue, denn das geht vor! Es gibt auch weiterhin nichts vergleichbares, was mich davon ablenken könnte.

Zu Abend gibt es Fussili aus der Tüte, verlängert mit Käse.

Abends beim Zusammensein im Cockpit singt Henry ein Lied. Er hat in den vergangenen Tagen weiter gedichtet und ein Abschiedslied für Sophia und mich gereimt. Aber warum ein Abschiedslied? Müssen wir schon von Bord? Wir sind doch noch gar nicht am Ziel! Aber das Ziel ist nicht mehr weit. Und Henry hat dieses Lied für uns geschrieben, weil wir die beiden ersten sind, die die Kreole verlassen – auch wenn es noch gut eine Woche dauert. Frank und Eckhard haben noch eine weitere Woche gebucht, um auch die British Virgins zu besuchen.







Montag, 12.12.05 – Ankunft in St. Maarten

Zu Beginn meiner Wache mit Henry von 2.00 – 6.00 h stellt Henry fest, dass es nur noch 80 sm sind bis zum Ziel.


Morgens um 8.00 h gibt es wieder Fehlalarm durch den EPIRB, der aber wieder rechtzeitig abgebrochen  werden kann. Kurz darauf sehen wir am Horizont Land. Ich steige auf den Baum, halte mich mit einer Hand am Mast fest und brülle: „Land in Sicht!“, was natürlich im Foto festgehalten wird.


Je näher wir kommen, umso deutlicher hebt sich die Silhouette der Berge von St. Maarten vom Horizont ab.







Unsere Mittagsposition:         17° 59,9 N
                                            062° 38,8 W
Logge:                                    56792
Etmal:                                     155 sm

Hinter der Huk von St. Maarten schiebt sich langsam ein schwarzer Klotz hervor. Je weiter er sichtbar wird und die einzelnen Umrisse klarer werden, erkennen wir was es ist: ein Kreuzfahrer mit schwarzem Rumpf, sehr hohen Aufbauten und zwei Schornsteinen. Das kann nur die die „Queen Mary 2“ sein.


Jetzt, wo wir kurz vor der Hafeneinfahrt von St. Maarten stehen, sehen wir noch 3 weitere Kreuzfahrt-Schiffe.
N E I  I  I  I  N N N N , ich will wieder zurück! Nach 22 Tagen auf See, ahne ich, was auf uns zukommt – viele Menschen, Hektik, Lärm, Stress – muss das wirklich sein! Ich will nicht!



Wir fahren zwischen den zum Teil auf Reede liegenden Kreuzfahrern durch und werfen den Anker um 15.15 h vor der Zollpier. Frank bläst das Dinghi auf und klemmt den Aussenborder  an. Nun fahren unser Skipper Henry und Eckhard mit dem Dinghi an Land, um uns ordnungsgemäss einzuklarieren. Während dieser Zeit dürfen wir nicht von Bord. Die Einklarierungsprozedur dauert auch 1 gute Stunde.

Um 17.00 h machen wir in der Marina St. Maarten fest und klarieren erstmal unser Schiff. Wir tanken ca. 300 Liter Diesel und füllen auch den Wassertank auf.


Im Logbuch halten wir die Position fest:

                                               18° 01,2 N
                                               063° 02,6 W
Logge:                                    56817 sm

Nachdem alle Pflichten einer guten Seemannschaft erfüllt sind, widmen wir uns den seemännischen Gebräuchen. Der obligatorische „Anleger“ und ein guter Schluck für Rasmus als Dank für die humanen See- und Wetterbedingungen sind selbstverständlich. Nach einer erfolgreichen Ozeanüberquerung muss auch ebenso der Schiffsführung gedankt werden. Gemeinsam manövrieren wir unseren Skipper Henry geschickt in die Nähe der Badeplattform am Heck des Schiffes und in einem unachtsamen Augenblick packen Sophia und Frank ihn und befördern ihn mehr oder weniger freiwillig in die See. Natürlich nimmt er es gelassen hin. Als er wieder zurück an Bord ist drücken wir ihn alle mal mit einem herzlichen Dank dafür, dass er uns so sicher und souverän über den Atlantik gebracht hat. Wir sind uns alle einig: wir hätten keinen besseren und angenehmeren Skipper haben können.
Da wir es so gewöhnt sind, wird auch heute abend wieder an Deck geduscht. Danach machen wir uns „landfein“, fertig für den Landgang. Herrlich! Fast zwei Wochen vor Weihnachten mit kurzer Hose, frischem T-Shirt und Sandalen gehen wir in den Hauptort von St. Maarten – Phillipsburg. Hier freuen wir uns auf frischen Fisch. Niemand muss kochen, wir lassen uns alle verwöhnen. Danach geht es noch in eine Bar und wir geniessen alle typische karibische Cocktails, natürlich nimmt jeder einen anderen Cocktail. So kann jeder von dem anderen probieren. Jetzt kommen wir so langsam alle zur Ruhe. Besonders unserem Skipper merken wir an, wie die Anspannung der letzten drei Wochen doch von ihm abfällt. Wir alle erkennen an, dass dieser Törn eine riesige Verantwortung für einen  Schiffsführer ist. Er alleine ist für Schiff und Besatzung verantwortlich und muss sich immer bewusst sein, dass er sich im Falle eines Unglückes gfs. vor einem Seegericht verantworten muss. Aber solche Gedanken werden ganz schnell verdrängt. Wir freuen uns und sind vor allem alle sehr stolz, diesen Törn erlebt zu haben.
Zurück an Bord haben auch die Kreuzfahrer ihre Pier wieder verlassen.. Sie ist nun wieder frei für neue schwimmende Hochhäuser, die am nächsten Morgen ihre „Bewohner“ auf dieses Eiland loslassen.
Um Mitternacht fallen wir alle totmüde in unsere Kojen.

                                  




3100 sm über den Atlantik


Dienstag, 13.12.05 – Urlaub in der Karibik

Nach dem Frühstück gilt es als erstes wieder unsere Pflichten zu erfüllen. Da niemand weiß, was wir die nächsten Tage essen wollen, müssen wir uns selbst Gedanken darüber machen. Alle Mann überfallen den nächsten Supermarkt, der Gott sei Dank gerade gegenüber der Marina liegt. Überfallen war wohl das falsche Wort. Vor dem Eingang des Supermarktes stehen zwei Soldaten mit MPs Wache. Entweder sie wachen darüber, wer hinein geht oder sie passen auf, wer und womit man wieder hinauskommt. Zwei Einkaufswagen werden hoch voll geladen, einer nur mit Getränken, der andere mit frischen Lebensmitteln wie Obst und Gemüse. Kartoffeln und Käse sind noch genügend auf dem Schiff und reichen wohl auch noch wieder für eine Rückfahrt nach Europa.
Nachdem alles verstaut ist begeben wir uns noch mal auf Landgang, diesmal bei Tageslicht. Da die ersten Kreuzfahrer auch schon wieder eingetroffen sind, befinden wir uns leider auch nicht mehr alleine in der Stadt. Schätzungsweise 4000 bis 8000 Passagiere unterschiedlichster Nationalitäten bevölkern nun wieder für ein paar Stunden die Karibikinsel. Phillipsburg, die Hauptstadt des niederländ. Teils liegt auf einer schmalen Landzunge und besteht aus nur zwei Hauptstraßen mit den unverwechselbaren Namen „Front Street“ und „Back Street“. Auf diesen wuselt es nur so von Menschen – meistens Amerikaner, wie ich im Vorbeigehen am Dialekt höre, aber nur von morgens 9.00 h bis nachmittags 16.00 h, wenn ein Kreuzfahrtschifff mal wieder seine Passagiere ausgespuckt hat. Luxeriöse Schmuckläden wechseln sich ab mit exquisiten Boutiquen, die hauptsächlich von den Damen überfallen werden, während die dazugehörenden männlichen Begleiter meistens die Elektronik- und Kameraläden bevölkern.

Die Insel wurde am 11.11.1493 durch Christoph Kolumbus gefunden (während in Köln der Straßenkarneval eröffnet wurde). Da es der Tag des hl. Martin war, nannte er die Insel St. Martin (franz. ausgesprochen Sankt Martäng, holl. Sint Maarten)
1648 wurde das Inselgebiet geteilt, nachdem französische und niederländische Kriegsgefangene ihre spanischen Aufseher vertrieben hatten. Der Legende nach teilten die Deportierten die Insel unter sich auf, indem ein Niederländer und ein Franzose die Insel in gegensätzlicher Richtung umrundeten, bis sie sich wieder am Strand trafen. Es heißt auch, der Franzose habe dem Niederländer eine Flasche Wasser gegeben, die allerdings Gin enthalten habe, weshalb heute der französische Teil größer sei als der niederländische.
Die beiden Inselteile koexistieren seither friedlich miteinander. Auf der Insel leben zusammen rund 77.000 Menschen, 36.000 davon im französischen Teil, 41.000 im niederländischen Teil. Die Insel ist also vergleichsweise stark besiedelt. In den 1990er Jahren wurde die Insel sechsmal von Hurrikans heimgesucht. Am schlimmsten wüteten „Luis“ (September 1995) und „Lenny“ (November 1999).
Ich habe noch nie auf so kleiner Distanz so große Unterschiede in Kultur und Städtebau gesehen wir hier auf St. Maarten.
Im holländischen Teil wird vorwiegend englisch gesprochen, im französischen Teil natürlich französisch. Während auf der schmalen Landzunge in Richtung Flughafen im niederländischen Teil sich ein Fast Food-Restaurant nach dem anderen reiht und sich die Reklame-vielfalt besonders auffällig grell und bunt à la Las Vegas präsentiert, habe ich nur wenige 100 m weiter im franz. Marigot das Gefühl ich befinde mich in einem kleinen franz. Dorf an der Mittelmeerküste. Wer meine Liebe zu Frankreich kennt, wird verstehen, dass ich mich im franz. Teil viel wohler gefühlt habe, als im amerik… pardon im niederländischen Teil. Ach so, es gibt noch einen klitzekleinen, aber feinen Unterschied: an den franz. Stränden dürfen auch die Damen „oben ohne“ baden während dies im holl. Teil strikt verboten ist.



Am frühen Nachmittag fahren wir
entlang der Ostküste in Richtung Norden bis zum Oyster Pond ,  eine kleine nach allen Seiten geschützte Bucht. Sie liegt auf der Landesgrenze, so dass hier das südliche Ufer zu den Niederlanden gehört und das nördliche zu Frankreich. Wir geniessen den Nachmittag an Bord vor Anker und beobachten die Pelikane, wie sie sturzflugartig ins Wasser schiessen, um die erspähte Beute in ihrem Schnabel aufzunehmen. Abends fahren wir mit dem Dinghi ans französische Ufer und geniessen zur Happy Hour von der großzügigen Terrasse des „Captain’s Oliver“ den Blick auf die Bucht und unsere „Kreole“. Nachdem wir von den verschiedenen Cocktails schon einen kräftigen Schwips haben, siedeln wir um ins Restaurant und lassen uns von karibischen Speisen verwöhnen. Hier ist noch nicht sehr viel los und wir haben sehr viel Spaß mit dem Kellner – und er mit uns. Sophia hat es ihm sehr angetan und als wir wieder zurück zum Schiff wollen, haben wir Mühe, sie von ihm loszureissen. Er möchte sie am liebsten  festhalten und morgen früh heiraten (wie er sagt). Das geht wiederum Sophia viel zu schnell. Sie fleht: „Lasst mich nicht allein hier!“.




Mittwoch, 14.12.2005

Am nächsten Morgen starten wir wieder zurück an die Südküste von St. Maarten, vorbei an der Great Bay mit Phillipsburg und legen unseren Anker in die Simpson Bay, die nächste große Bucht an der Südküste. Hier liegen wir unmittelbar neben der Start- und Landebahn des internationalen Flughafens. Wir faulenzen und geniessen das warme Wasser zum ausgiebigen Baden. Nebenbei beobachten wir die Riesenvögel von Boeing und Airbus, wie sie starten und landen.

Und auch hier erfreuen wir uns an der phantastischen Aussicht in der untergehenden Sonne.
Danach setzen wir wieder mit dem Dinghi an Land  und spazieren in diesem Teil der Insel die Hauptstrasse entlang. Diese ist nicht sehr einladend. Nicht nur, weil sie keinen vernünftigen Bürgersteig hat, auf dem wir uns von den vorbeifahrenden PKW zurückziehen können, sondern auch das gesamte Ambiente ist für den normalen Mittel- und Nordeuropäer eher ungewohnt. An der Straße stehen in regelmässigen Abständen Telegrafenmasten aus Holz, deren Spitzen mit einer schwarzen Leitung verbunden sind, vermutlich Elektrizität und Telefonkabel. Die Straßenränder sind wenig gepflegt. Die Häuserreihe zu beiden Seiten der Straße tragen zum Teil typisch amerikanische Reklametafeln, sehr oft umgeben von grell erleuchteten und blinkenden Neonlichtern. Nachdem wir so der Straße ca. 30 Min. folgen, erkennen wir, dass diese Richtung uns keine neuen, vor allem schönere An- und Aussichten bringt und wir drehen um. Unterwegs lässt uns der Durst in eine kleine Bar einkehren, die aber leider auch nicht sehr viel karibischen Charme versprüht. Also verlassen wir es nach zwei Bier und freuen uns wieder auf unsere vertraute Kreole, die brav in der Bucht vor Anker liegt und auf uns wartet.

Abends in der Koje kommt schon ein bisschen Wehmut auf, denn am Samstag geht der Flieger wieder Richtung Europa. Es war/ist immer noch eine schöne Zeit hier an Bord. Vor allem bei dem Gedanken, dass es in Deutschland jetzt nasskalt ist und in den Nachrichten vor dem ersten Bodenfrost gewarnt wird. Und wir haben hier schönsten Sonnenschein und Bikini-Wetter.
Andererseits ist es auch wieder schön nach Hause zu kommen und noch die letzten Tage der Vorweihnachtszeit zu geniessen. 30° C im Schatten und unter weihnachtlich geschmückten Tannenbäumen zu sitzen passt für uns Europäer nicht so richtig zusammen.





Donnerstag, 15.12.2005


Im Restaurant „Captain Oliver“ bekamen wir am Dienstag auf
unsere Frage nach einer Steel Band den Tip am heutigen Donnerstag die Friar’s Bay zu besuchen. Dort sollte abends am Strand die Full Moon Party stattfinden mit einer Reggae-Live-Band. Diesen Tip nehmen wir gerne auf und segeln deshalb heute die Westküste entlang, um dort vor dem Strand in der Friar’s Bay den Anker fallen zu lassen. Gesagt – getan! In türkisfarbenem Wasser fällt unser Anker vor schneeweissem Strand. Wir werden schon erwartet: am Strand steht schon der Weihnachtsmann und ein Schneemann in Übergöße. Schnell machen wir das Dinghi klar und Sophia und ich rudern hinüber zu den für diese Region ungewöhnlichen Gesellen. Hier müssen nun diese dickbäuchigen Figuren zum diesjährigen Beach-Model-Contest antreten.
Am späten Abend rudern wir dann noch mal gemeinsam  rüber zum Strand, um uns in das Getümmel der Full-Moon-Party zu werfen. Unter freiem Himmel spielt eine Band einen echten Reggae und covert die alten Songs von Bob Marley & Co. richtig gut. Hier lernen wir Ababa kennen, einen gebürtigen Jamaicaner, der uns etwas abseits vom Partylärm an einem Lagerfeuer Harry Belafontes’s „Jamaica Farewell“ und „Island in the Sun“ a capella singt. Das verursacht mir dann schon reichlich Gänsehaut.
Mit einem echten „Bacardi-Feeling“ geht es früh am Morgen angeheitert wieder zurück auf’s Schiff.






Freitag, 17.12.2005

Beim ausgiebigen Frühstück am nächsten Morgen bemerken wir viel zu spät, dass sich unser Dinghi selbstständig gemacht und Kurs aufs offene Meer gesucht hat. Eckhard opfert sich und springt todesmutig hinterher. Nur mit Mühe kann er es mit kräftigen Schwimmzügen noch einholen. Ziemlich aus der Puste schafft er es auch zurückzurudern und sorgt somit dafür, dass unsere Bordkasse nicht noch am vorletzten Tag über Gebühr strapaziert wird.
Den letzten gemeinsamen Abend wollen wir im französischen Teil von St. Martin verbringen und segeln deshalb zum Hauptort Marigot, wo wir im Hafen festmachen.
Beim Rundgang durch den Ort fühlen wir uns in einer anderen Welt. Uns zeigt sich eine vollkommen andere Kultur. Ich habe das Gefühl, in einem kleinen Ort an der französischen Mittelmeerküste zu sein. Dieses wird noch verstärkt durch die vielen französischen Laute, die an mein Ohr dringen. In den engen Gassen gibt es eine Vielzahl von kleinen nett ausgestatteten Cafés und Bistros. Natürlich gibt es auch reichlich Boutiquen mit Markenware von Chanel, Gucci , Boss und Co.
Da wir noch etwas Zeit bis zum Abendessen haben, suchen wir uns schon mal ein idyllisches Restaurant aus und bestellen einen Tisch für den Abend. Bis dahin vertreiben wir uns die Zeit auf der Terrasse einer kleinen Bar mit Blick auf die große vorgelagerte Lagune.

Zwischen den einzelnen Gängen unseres Menues trage ich Henry das in den letzten 3 Wochen geschriebene Gedicht vor, zum einen als Revange auf seine  Verse am Nikolausabend und zum anderen auch als Dank für die wunderschönen Tage, die wir mit ihm seit Teneriffa verbracht haben. Als Abschiedsgeschenk bekommt er von uns allen noch ein T-Shirt, dessen Rücken wir mit unseren Unterschriften verziert haben.

Hier das Gedicht:

Auf den Spuren des Kolumbus

Auf den Spuren des Kolumbus
Wollten wir segeln um den Globus.

Skipper Henry startete in Pforzheim,
Peter kam vom schönen Rhein,
Frank verließ extra das Hofbräuhaus,
Eckhart kam aus Nördlingen `raus
Und weit aus Passau unsere Tscha-Tscha-Maus.

Nicht zuletzt auch Bruno aus des Schiffes Unterwelt
Steuert, so wie`s uns gefällt.

Und dann ist da noch jemand ohne Identität!
Den brauchen wir immer dann, wenn’s gar nicht mehr weitergeht.
Wir nennen ihn jetzt einfach Karl-Gregor,
das Gerät für den Strom, den Generator.

In Santa Cruz de Tenerife
Trafen wir uns auf „Kreole“, unserem Schiff.
Rank und schlank und ganz schön schnittig,
mit weißen Segeln lag sie da, so richtig schiffig.

Doch vor dem Vergnügen, ihr werdet es wissen
Gab es Arbeit, und nicht nur ein bisschen.

Henry schraubte Tag und Nacht
Damit die Kreole keinen Ärger uns macht.
Der Rest der Crew, der kaufte ein
Bei CARREFOUR, so hieß der Verein.

Kartoffeln, Pasta, Tortellini,
Tomaten, Gurken und Zucchini,
Marmelade, Butter, Eier und Speck
Auch Schinken, Wurst, Honig und Nutella ließen wir nicht weg.
Und sollte das alles nicht reichen auf unserer Tour
10 kg Käse sollten erhalten unsere Frohnatur.

Gegen den Durst Wein, Wasser, Cola und Bier.
Rum gibt’s in der Karibik und nicht hier!

Bevor es los geht muß es sein:
Einen guten Tropfen für Rasmus, das alte Rübenschwein,
damit er uns gibt Wind und Sonnenschein.

Dann ging’s los, ohne Erbarmen.
Sophia und Peter lagen sich schnell beim Fische füttern in den Armen.
Doch schon nach zwei Tagen
Konnten sie den Seegang ertragen.

Zunächst nach Süden sollte der Wind uns locken
Und dann nach Westen zu den dunklen Augen und den Rasterlocken.

Delfine schwammen um unseren Bug geschwind
Als würden sie rufen: „Schaut her, wer die Schnelleren sind!“

Nach jedem Essen und letztem Biss
Frank’s Spruch der Zufriedenheit: „Schön  is`!“

Nur langsam ging es am Anfang voran,
aber nachts zum Schlafen ging die Waschtrommel an.
In der Koje geht’s hin und her und auf und ab.
Eckhart fragt: „Ist das der Passat?“

Dann endlich kam der Langersehnte, auf den wir warten,
Und trieb uns mit 10 kn vorwärts nach St. Maarten.

Tagein, tagaus ohne Unterlass
Sucht Henry nach dem kühlen Nass.
„Wo geht das ganze Wasser denn nu’ hin?
Irgendwo muß es doch ‚rin!
Hat das Boot etwa ein Loch?
Spült Sophia denn schon wieder, ohne immer noch?
30, 60, 100 Liter,
jeden Tag das gleiche Gezeter.
Verständnislos mit den Achseln zuckt der Peter.
Dann muss er wieder `ran mit lautem Tenor
Unsere letzte Hilfe – unser Karl-Gregor.
Der macht aus Wasser mit Salz,
Wasser für den Hals.

Der Nikolaus uns dann was Besonderes bringt,
Henry uns seine Verse vorsingt:
Von kleinen weißen Segelspitzen
Und weiß-rot-grünen Lichtlein die blitzen.

Am schönsten ist es in der Nacht
Da zeigt uns der Himmel seine ganze Pracht.
Sterne, Venus, Mond und Mars
Strahlen ohne Unterlass.

Am 12.12. um 12 Uhr ist es dann soweit,
vor uns liegt St. Maarten, grün und breit.
In der Karibik endlich da,
klangvolle Namen empfangen uns,
St. Maarten, Anguilla, Tortula.
Schwarze Haut, dunkle Augen wunderbar,
die Crew kommt ins Schwärmen, vor allem Sophia.

Nass rasiert und frisch geduscht, damit wir nicht stinken
Zur Happy Hour an der Bar viele bunte Cocktails winken.
Sex on the Beach, Mai Tai und Caipirinha
Long Island Ice Tea, Daiquiri und Pina Colada.

Geht die Sonne später unter,
noch mal ins Wasser, ab – und Hose runter.

Abends dann bei gutem Tisch
Gab’s Steak, Fritten, Salat und Fisch.

Beim Frühstück dann das Dinghi flieht
Sophia es nur noch in der Ferne sieht.
Doch Eckart voller Todesmut
Nach langen Stössen erreicht es mit Not.
Das Dinghi lebt, Eckhart ist tot.

Nun sind wir hier – unversehrt und überglücklich.
Henry wir danken dir unendlich.
Zum Zeichen unserer Dankbarkeit
Nimm`dieses T-Shirt, es ist hoffentlich nicht zu weit.
Es soll dir Glück bringen zu jedem Ziel
Begleitet von des Segler’s Spruch:

Immer eine Handbreit Wasser unter’m Kiel!

Gott sei Dank ist das Gedicht schon vorgetragen denn als wir zum Digestif nach einem landestypischen Rum fragen, stellt der Kellner uns 6 Flaschen verschiedener Sorten auf den Tisch, den wir Reihum probieren dürfen. Danach wird uns die Zunge sehr schwer und die ausgesprochenen Worte verlieren schon mal den ein oder anderen Buchstaben.









Samstag, 18.12.2005


Heute ist gedämpfte Stimmung an Bord, denn es wird Zeit, Abschied zu nehmen. Henry, Frank und Eckard dürfen noch eine weitere Woche an Bord der Kreole bleiben und warten heute Abend auf zwei neue Gäste aus Deutschland. Für Sophia und mich geht dieser Traumtörn zu Ende. Es ist nun kein Traum mehr. Dieser Traum war in den vergangenen 4 Wochen wahr geworden.

Abends besteigen Sophia und ich den Jumbo der KLM mit Ziel Amsterdam, was wir nach ca. 9 Stunden erreichen. Da wir dem neuen Tag entgegenfliegen landen wir in Amsterdam am Sonntag morgen. Der europäische Kontinent empfängt uns grau und nasskalt






Sonntag, 19.12.2005

Hier trennen sich nun auch Sophias’s und meine Wege. Sie sucht sich den nächsten Flug Richtung München während ich mich nach der nächsten Zugverbindung  Richtung Köln erkundige. Ich muss zunächst vom Flughafen Schiphol zum Hauptbahnhof Amsterdam kommen, um von dort mit dem ICE nach Köln zu gelangen. Bei der Ankunft in Amsterdam Hbf ist der ICE natürlich gerade weg. Da ich keine Lust habe, weitere 2 Stunden auf den nächsten zu warten, entscheide ich mich, mein Glück in den Nahverkehrsverbindungen zu suchen. Also geht meine Reise von Amsterdam nach Utrecht, dort umsteigen nach Arnhem, dann weiter nach Eindhoven. Von hier aus nach Venlo, dann endlich in deutschen Landen bis Mönchengladbach. Von hier habe ich sage und schreibe eine direkte Verbindung nach Köln. Das war nun ein echtes Abenteuer. Und………. Der ICE, der 2 Std. später in Amsterdam abgefahren war, ist vor 10 Minuten in Köln eingelaufen. Abschliessend muss ich feststellen, dass ich zwar 5 Stunden von Amsterdam bis Köln gebraucht habe, die Aufenthaltszeiten auf den einzelnen Bahnhöfen jedoch nie länger als 20 Minuten betrugen. So gesehen war es selbst mit den Nahverkehrszügen eine gute Verbindung. Dieses Erlebnis nehme ich auch nur auf, weil ich aus den vergangenen drei Wochen absolut relaxed nach Hause komme und Stress ein Fremdwort ist. Mal sehen, wie lange es dauert, bis auch er mich wieder einholt!

Von Mönchengladbach aus konnte ich meinen Schatz informieren, wann ich in Köln eintreffen würde und so steht sie pünktlich auf dem Bahnsteig. Wir sind beide glücklich, uns unversehrt in die Arme zu schließen. Der letzte Weg nach Hause mit dem Pkw ist dann ein Klacks.

Zu Hause angekommen will mir nun gar nicht eine vorweihnachtliche Stimmung gelingen – wenn wundert es?

Nachwort

Einmal über den großen Teich! Ja, ich habe es gemacht! Wenn ich die Reise Revue passieren lassen, muss ich sagen, dass es ein gelungenes Abenteuer war. Kein spektakuläres Abenteuer. Es war eine schöne Reise. Der Wettergott war uns wohl gesonnen. Auch verlorene Container wurde nicht gesichtet oder Wale, die wir hätten touchieren und das Boot beschädigen können. Zu keiner Minute hatten wir das Gefühl, in einer Situation zu sein die wir als nicht bezwingbar oder gar gefährlich bezeichnen würden. Die größte Herausforderung bei der Atlantiküberquerung war – zumindest für mich -  einen tiefen, erholsamen Schlaf zu finden. Da es aber andererseits keine wirklich körperlich anstrengende Tätigkeiten gab, konnten wir dieses Manko mit Faulenzen und einfaches Nixtun nahezu ausgleichen.



Dieses Erlebnis habe ich nun über einige Monate in 2011/2012 anhand von handschriftlichen Aufzeichnungn geschrieben. Ich bin erstaunt, wie viele Eindrücke auch nach so langer Zeit noch im Gedächtnis haften geblieben sind. Vieles kam auch durch das Betrachten der Bilder wieder ins Gedächtnis. Das Schreiben hat besonders viel Spaß gemacht, weil dadurch der gesamte Törn noch mal wieder ins Gedächtnis gerufen wurde mit dem Fazit: ein gelungener Törn, ein wirklich unvergessliches Erlebnis, dass jeder Segler einmal im Leben machen sollte.




Ach, ich könnt’ schon wieder los!






Technische Daten der „Kreole“
Länge über Alles: 15,39 m
Breite über Alles: 4,85 m
Tiefgang Kielboot 2,00 m
Dieseltank: 400 l
Wassertank: 1000 l
Motorisierung: 100 PS / 73,5 kW
Kabinen: 4 + 1 Skipperkabine
jede Kabine mit eig. Nasszelle
Kojen: 9
Großsegel (Rollgroß): 42 qm
Genua (Rollreff): 79 qm

Technische Ausrüstung
GPS,
Echolot,
UKW-Funk,
umfangreicher Navigations-
und Sicherheitsausrüstung,
Wetterempfänger
(Fastnet-Radio),
elektrischer Ankerwinsch,
Doppelradsteuerung,
Sprayhood,
Bimini (Sonnenschutzverdeck
über dem Cockpit), Cockpitdusche,
Warmwasser,
Badeplattform,
Rettungsinsel , Beiboot
Extras
Rollgroßanlage und fliegendes Vorstag, Arbeits- und Sturmfock, Dieselgenerator (Opt.) und Entsalzungsanlage (Opt.), Wetterfax (Fastnet-Radio), Inmarsat-E EPIRB-Seenotbake, Radartransponder, elektron. Seekarte incl. GPS, zweites GPS, Radar, Sprayhood und Bimini (Cockpit-Sonnenverdeck), Inmarsat-Satelliten-Telefon + zusätzl. Iridium-Satellitentelefon bei Atlantik- und Transatlantikfahrten (Opt.), Bugstrahlruder, Ersatzbesegelung, Spannungswandler.