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Samstag, 21. September 2013

6 Tage. 6 Schleusen, 6 Meere, 6 Windstärken




  • 6 Tage: vom 15.9. bis 21.9.2013
  • 6 Schleusen: Stavoren, Enkhuizen, Amsterdam, Ijmuiden, Kornwerderzand, Makkum
  • 6 Meere: Ijsselmeer, Markermeer, Nordsee, Wattenmeer, Grote Gaastmeer, Heeger Meer
  • 6 Windstärken: fast jeden Tag mit 24 - 30 kn Wind


  • 15.9.13     Warns - Enkhuizen
Um kurz nach 13.00 h treffen wir in Warns ein und möchten auch sofort ablegen. Wir nehmen uns aber die Zeit und essen erstmal in der Pyramide einen Appelgebak mit einem Kaffee - es ist schliesslich Sonntag. Sonst schliessen wir den Törn sonntags immer mit diesen Leckereien ab, warum sollten wir diesmal den Törn nicht damit beginnen?
Nachdem das Schiff aufgeklart ist, legen wir um 15.00 h ab. Es weht bereits mit 15-18 kn aus Südwest auf dem Johan-Friso-Kanal und der Wetterbericht auf VHF 01 kündigt Böen mit 7 bft. an. Als Ziel hatten wir eigentlich eine der Watteninseln anvisiert. Hierhin wollten wir auch die Stegnachbarn mitnehmen, die noch nie auf den Inseln waren. Deren Boot ist auch ein bischen kleiner. Leider hatten sie aber am Vortag schon kräftig "einen auf die Mütze bekommen" und nun steht ihnen nicht mehr der Sinn nach Abenteuer und möchten lieber den Rest ihres Urlaubs etwas ruhiger verbringen. Das ging mir sicher genauso. Auch bei dem aktuellen Wind und vor allem mit den Vorhersagen kommen mir Zweifel, ob wir überhaupt aufs Ijsselmeer rausfahren sollen. Wir entscheiden aber rauszufahren und gfs. umzudrehen, wenn es draussen zu schlimm kacheln sollte.
So passieren wir um 15.30 h unsere erste Schleuse - die Johan-Friso-Sluis - zum Ijsselmeer. Hier weht es nun mit 20-24 kn. Mit 2 Reffs in Großsegel und Genua steuern wir zunächst hoch am Wind mit Kurs 270°. Unser Ziel die Watteninsel haben wir inszwischen aufgegeben, denn draussen auf der Nordsee wird es sicher noch heftiger wehen. Wir legen nun als Törn einmal RUND UM NOORDHOLLAND fest.
Kurz vor der Vogelinsel de Kreupel wenden wir auf backbordbug und gehen nun Kurs Süd Richtung Enkhuizen. Da wir Enkhuizen so nicht direkt anliegen können, müssen wir noch zweimal wenden bis wir den Stadthafen erreichen. Kurz vor Enkhuizen wird es nochmal richtig ungemütlich. Es fängt an zu regnen und der Windmesser zeigt Böen bis zu 32 kn, aber die MILES & MORE hält sich prächtig. Sie liegt stabil im Wasser und gibt keinerlei Anlass zur Unsicherheit. Das ist in den vier Jahren mit MILES & MORE die höchste Windgeschwindigkeit, in der ich gesegelt bin. Um 18.45 h legen wir im schützenden Hafen an. Am Automaten bezahle ich das Liegegeld von € 16,76. Nachdem wir uns trocken gelegt haben und den obligatorischen "Anleger" zu uns genommen haben wird gekocht: Sauerkraut mit Speck und Spätzle.
Danach wird noch die Etappe für den nächsten Tag besprochen, dann geht's ins Bett. Draussen heult der Wind noch kräftig in den Wanten.

  • 16.9.13     Enkhuizen - Muiden
Um 7.30 h schlage ich die Augen auf uns schaue durch die Decksluke in strahlend blauen Himmel. Bereits am Vorabend hatte der Wetterbericht sonniges Wetter bei weiterhin 4-6 bft. aus SW versprochen. Das kann ein toller Segeltag werden! Beim nahen Bäcker holen wir Brötchen zum Frühstück. Um 9.15 h legen wir ab und werden 10 Min. später als einzige ins Markermeer geschleust  = 2. Schleuse. Das Groß wird mit 2 Reffs gesetzt und kurz hinterm Tonnenstrich setzen wir auch die Genua mit 2 Reffs denn es bläst wieder mit 24-30 kn Wind. Mit 6 kn Speed rauschen wir gen Süden unter blauem Himmel mit weissen Wolken - ein wahrer Segelgenuss. Mir geht das Herz auf! Um schliesslich unser Tagesziel Muiden zu erreichen, müssen wir viermal wenden. Muiden ist für Stefan und auch für mich ein neues Ziel, was wir in den 4 Jahren noch nicht kennengelernt haben. Es ist ein kleines ruhiges Städtchen, gar nicht weit von Amsterdam weg. Wir zahlen € 23,-- all in, Strom, Wasser, Duschen, WLAN. Nahe der Großstadt ist eben alles etwas teurer. Am Nachmittag machen wir einen Spaziergang in den Ort und zum nahegelegenen mittelalterlichen Wasserschloss. Danach liegen wir im Cockpit in der Sonne und schauen den Düsenjets aus aller Welt im Anflug auf Amsterdam nach.



  • 17.9.13     Muiden - Ijmuiden
Bei Sonnenschein legen wir um 9.20 h ab und setzen kurz hinter der Hafenausfahrt die Genua. Mit Kurs 300° geht es zu den Oranjensluizen (die 3. Schleuse) vor Amsterdam. Schnell geht die Ampel auf grün und wir können einfahren, wieder als einziges Schiff. Nachdem wir auch diese gemeistert haben geht es über den Nordseekanal durch Amsterdam durch. Hier überholen uns eine Menge Binnenschiffe. Heute bläst es nicht ganz so stark wie die Tage vorher. Da der Wind uns auch genau auf die Nase weht müssen wir motoren. Später liegen an backbord die großen Häfen für den Erz-, Kohle- und Ölumschlag.
Nun haben wir es nicht mehr  mit Binnenschiffen zu tun sondern mit riesigen Seeschiffen. Hierfür wurde der Kanal fast 14 m tief ausgebaggert. Um 13.40 h liegen wir vor der großen Schleusenanlage in Ijmuiden, zeitweise war das die größte Schleusenanlage Europas. Hier melden wir uns über Funk an und können zügig in die kleine Schleusenkammer  (die 4.) für die Sportschiffahrt einfahren. Nun liegen wir in der Schleusenkammer und warten, und warten und wa........! Ich frage mich, ob man uns vergessen hat. Nach 40 Min. geht das Schleusentor zur Nordsee endlich auf. Und was sehen wir? Ein großes weisses Kreuzfahrtschiff! Die MS ASTOR, auf der Stefan 4 Monate als Animateur gearbeitet hat, den alten Herrschaften Malen nach Zahlen beigebracht und abends die Zähne ins Glas geworfen hat.
Die Nordsee empfängt uns mit einem kräftigen Schwell und wieder Wind mit 5-6 bft. Aber kurz darauf biegen wir an backbord ein in die Ijmuiden Marina, wo wir um 14.40 h anlegen. Stefan möchte unbedingt zur ASTOR. So laufen wir am Nachmittag ca. 1 Std. zum Liegeplatz des Seeschiffes. Leider lassen uns die Sicherheitsbeambten nicht aufs Schiff. Gerne hätte Stefan gesehen, ob es noch bekannte Gesichter zu sehen gibt. So laufen wir unverrichteter Dinge wieder 1 Std. zurück zu unserem Schiff (ist sowieso viel schöner!) Als wir an unserer Marina ankommen sehen wir in der Ferne noch gerade die MS ASTOR Ijmuiden verlassen. Wir machen es uns gemütlich auf der MILES & MORE. Heute Abend gibt es Weisswurst-Carpaccio, Käse und Wein. Dazu hören wir Musik vergangener Tage bis tief in die Nacht, denn am nächsten Morgen können wir uns Zeit lassen. Von nun an müssen wir uns nach den Gezeiten richten, das bedeutet, wir können morgen erst gegen Mittag starten mit auflaufendem Wasser.

  • 18.9.13     Ijmuiden - Oudeschild/Texel
Der Wetterbericht sagt voraus: vormittags W 3-4, später NW 4-5, am Nachmittag bis abends: W-NW 4-5.
Um 11.50 h legen wir ab und fahren raus auf die Nordsee. Ein gemütlicher NW 3 lässt uns zunächst auf Backbordbug Abstand vom Land gewinnen bevor wir auf Steuerbordbug wenden und mit 15° Kurs Texel nehmen. Um ca. 14.00 h brist es weiter auf und wir setzen ein Reff in Groß und Genua. Nun merken wir auch den Flutstrom, der uns mitschiebt Richtung Norden. Um 17.00 h liegt der Leuchtturm Den Helder an steuerbord querab. Stefan steuert die ganze Zeit, ich sitze quer zur Fahrtrichtung. Das kann mein Gleichgewichtssinn offensichtlich nicht verarbeiten - das Frühstück meldet sich und möchte an die Luft, bzw. in die See. Dem gebe ich bereitwillig nach - wat mutt, dat mutt!
Nach der Einfahrt in den Texelstrom wird die See ruhiger und die Flut schiebt uns nun mit 10 kn über Grund Richtung Oudeschild/Texel. Ich bin überrascht, der Hafen in Oudeschild ist fast leer. Nur wenige Schiffe liegen an den Stegen. Es ist doch noch mitten im Jahr - wo sind die denn alle? Im Juli und August ist hier der Bär los und die Yachten liegen zu viert oder fünft im Päckchen! Aber umso besser. So gehören uns auch die Duschen allein und wir brauchen nicht anzustehen.
Am Abend machen wir noch ein Gang durch den Ort und Stefan lädt die Crew noch zu einem Texel-Weizenbier ein. Zum Abendessen gibt es heute Bratnudeln mit Würstchen und Ei.


  • 19.9.13    Texel - Makkum - oder der Ruf der Kibbelinge
Heute hat die seemännische Unvernunft zugeschlagen. Anstatt früh aufzustehen und mit der ersten Flut ca. 7.00 h Richtung Makkum zu segeln, entscheiden wir uns für die zweite Flut am heutigen Tage, die um 16 h einsetzt. Am Vormittag reitet uns jedoch der Teufel und wir starten früher, damit wir noch am späten Nachmittag die leckersten Kibbelinge Frieslands in Makkum geniessen können - so denken wir! Es ist uns schon bewusst, dass uns im Wattenmeer zunächst noch ein heftiger Ebbstrom entgegensteht, aber wir haben ja Zeit und ausserdem: Der Weg ist das Ziel!

So legen wir um 12.45 h bei starker Bewölkung ab und setzen noch in der Hafenausfahrt die Genua. Der Wind bläst mit 4 bft. aus NW, also genau von hinten. Mit 5-6 kn machen wir Fahrt durchs Wasser während der Plotter nur 2-3 kn über Grund anzeigt, d.h. der Ebbstrom kommt uns mit ca. 3 kn entgegen. Das wird knapp, da die Kibbeling-Bude um 19.00 h schliesst. Um 18.00 h erreichen wir die Schleuse in Kornwerderzand (die 5.).Von achtern nähern sich zwei Plattbodenschiffe, die Texel bestimmt erst um 16.00 h verlassen haben. Während wir mehr
als 5 Stunden gebraucht haben, haben die beiden die gleiche Strecke bei gleichem Wind in ca. 2 Std. zurückgelegt. Was sagt uns das? Wer nicht hören will muss fühlen! Zu allem Überfluss wird an der Brücke vor der Schleuse gearbeitet und man lässt uns 1 Std. warten bis wir diese passieren können. Hinter der Schleuse biegen wir nach backbord ein ins Fahrwasser nach Makkum. So legen wir erst um 19.40 h im kleinen Stadthafen an.
DIE KIBBELING-BUDE HAT BEREITS GESCHLOSSEN !
Aber wir sind eine Erfahrung reicher und haben die Wirkung von Flut- und Ebbstrom im Wattenmeer kennengelernt.
Aus der Seekarte stecken wir ca. 14 sm für die Strecke Oudeschild - Kornwerderzand ab. Mit dem Gegenstrom den wir hatten, haben wir aber 38 sm mehr auf der Logge.


  • 20.9.13    Makkum - Warns
 Heute geht es an die letzte Etappe. Der Wetterbericht avisiert für das Ijsselmeer Wind aus W-NW 4-5 und Regen. In den Kanälen wird es dann nicht so stark winden, aber bei Regen zu motoren erfreut auch nicht so richtig das Seglerherz.
Um 10.40 h legen wir wieder bei starker Bewölkung ab. Die kleine Schleuse in Makkum (die 6.) wird uns sofort geöffnet.
Das Schleusengeld wird noch traditionell über einen Holzschuh an der Angel entgegengenommen. In Makkum selbst sind noch zwei Brücken zu durchfahren, die aber dank der installierten Kameras auch prompt für uns geöffnet werden. Zehn Minuten später reist der Himmel auf; die Sonne zeigt sich. Wir freuen uns, dass der Wetterbericht sich geirrt hat. Um 11.45 h passieren wir die Brücke bei Tjerkwerd, biegen rechts ab Richtung Workum und müssen in Parrega einen Zwangsstopp einlegen. Der Brückenwärter hat von 12.00 - 13.00 h Mittagspause, die wir auch nutzen, um eine Kleinigkeit zu essen.
Um 13.00 h geht's weiter nach Workum, wo Stefan noch einige Einkäufe erledigen will. Er hat es abgesehen auf einige Klamotten im Friesenlook - blau-weisse Querstreifen mit kleinen roten Herzen und ein paar Klompen, die traditionellen Holzschuhe aus Holland.  Nachdem das erledigt ist, fahren wir weiter über die Kanäle, über's Grote Gaastmeer ins Heegermeer. Hier können wir die Genua setzen und endlich ist wieder Ruhe im Schiff. Mit einem schönen Wind aus NW rauschen wir nur mit dem Vorsegel Richtung Warns, vorbei an der "Kanincheninsel" und vorbei an Galamadammen. Sonne und Wolken wechseln sich ab und veranstalten ein phantastisches Farbenspiel in der klaren Luft. Das ist wieder Segeln vom Feinsten! Wie die Bayern juchzen wir laut in Landschaft hinaus. Um 17.20 h legen wir in unserem Heimathafen an der Pyramide in Warns an. Wieder geht ein wunderschöner Segeltag zu Ende.



Den Abend geniessen wir Cockpit und lassen die letzten Tage noch einmal Revue passieren. Es wurden insgesamt 183 sm zurückgelegt, dabei wurde 12 h der Motor genutzt - ca. 45 sm, teils zum an-und ablegen aber auch für die lange Distanz über den Nordseekanal durch Amsterdam bis Ijmuiden und am letzten Tag in den Kanälen. Es war ein toller, abwechslungsreicher Törn mit neuen, für uns bisher unbekannten Zielen. Die ersten drei Tage brachten uns sehr viel Wind, immer 6-7 bft., in Böen manchmal bis zu 8 bft. Da wir aber bereits beim Setzen der Segel diesen Starkwind mit kleinerer Segelfläche berücksichtigt hatten, gab es nie Probleme. MILES & MORE hinterließ immer stabil und sicher ihre Spur im Kielwasser.  Weitere Erfahrung im Umgang mit Tidengewässern waren die Krönung. Wir haben auf der Strecke Texel - Makkum eindrucksvoll gelernt, was es bedeutet, zur falschen Zeit abzulegen - wieviel länger die Strecke wird, wenn wir die Strömung gegenan haben, bzw. wie schnell das Schiff durch die Wellen rauscht, wenn Wind und See von der richtigen Seite kommen. Wenn wir der Natur immer den nötigen Respekt zollen, gibt sie uns wunderbare Momente zurück. Ich glaube, nirgendwo kommt diese Erkenntnis mehr zum Tragen als beim Segeln. Es ist kein Kampf gegen die Natur, sondern ein Erlebnis, die Naturgewalten zu respektieren und als Freund zu nutzen.
Diese Freude am Segeln wird bei mir auch nicht getrübt, wenn die Seekrankheit wieder mal zuschlägt. Auf dem Weg von Ijmuiden hoch nach Texel hatte sie bei mir nach langer Zeit mal wieder zugeschlagen und zwar heftigst! Stefan stand am Ruder, während ich quer zu Fahrtrichtung im Cockpit saß und die Übelkeit zuschlug. Die sicherste Methode für mich, bei heftigem Seegang nicht Seekrank zu werden, ist selbst Rudergehen. Auf dem Weg von Texel nach Makkum am nächsten Tag hatte ich auch keine Probleme, wenn ich hinten am Heckkorb in Fahrtrichtung saß und den Horizont beobachtete, obwohl das Schiff bei achterlichem Wind kräftig schlingerte und geigte.
Auch die Sehnsucht, mal einen weiteren und längeren Törn auf eigenem Kiel zu machen, wird durch diese unangenehmen Vorfälle nicht getrübt.



  • 21.9.13  Klar Schiff und nach Hause

Heute gilt es, das Schiff von innen und aussen zu säubern und kleinere Reparaturen auzuführen, damit es wieder klar ist für den nächsten Törn in 14 Tagen. Danach geht es mit dem PKW wieder nach Hause.

Hier noch ein kleines Video über den Törn


Der Film zum Törn: hier klicken